Das ehemals personell stattlich ausgestattete Tanztheater der Komischen Oper Berlin wurde in den vergangenen Jahren von meinem Vorgänger [Albert Kost] sukzessive auf eine Rumpfmannschaft von heute 22 Tänzern zusammengestrichen. Nach dem skandalösen vorzeitigen Abgang der gerade erst engagierten Ballettchefin Blanca Li im Frühjahr 2002 erfuhr ich durch Zufall, dass der Intendant Herr Kost Gespräche mit der Deutschen Oper Berlin begonnen hatte, in der Absicht, die Ballettcompagnien der Deutschen Oper und der Komischen Oper Berlin zu fusionieren. Diese fusionierte Compagnie solle dann beide Häuser bespielen. Mein Bestreben als neuer künstlerischer Leiter der Komischen Oper Berlin war von Anfang an eine größtmöglich Schärfung des Profils der Komischen Oper Berlin im Dreiklang der Berliner Opernhäuser. Eine Bespielung der Komischen Oper Berlin durch eine naturgemäß durch das größere Haus dominierte Tanzcompagnie schien mir eine gegenteilige Wirkung zu haben. Ich habe daher mit der Senatsverwaltung für Kultur Gespräche geführt mit der Absicht, eine solche Fusion zu unterstützen, jedoch auf eine Bespielung der Komischen Oper Berlin durch diese fusionierte Compagnie zu verzichten... Da die Compagnie der Deutschen Oper ebenfalls als personalschwach empfunden wurde, schien es mir nur konsequent, die künstlerische Arbeit auf ein Haus zu konzentrieren und dieses Haus mit dem nötigen Personal auszustatten. Auf diese Weise hätte es in Berlin neben der traditionell orientierten Compagnie der Staatsoper Unter den Linden eine weitere gut ausgestatte Compagnie für das zeitgenössische Segment gegeben. Die jetzige Misere, dass es lediglich eine große Tanzcompagnie unter Leitung von Herrn Malakhov geben wird, hat ihre Ursache darin, dass in den Diskussionsrunden zur Opernstrukturreform das Ballett keine eigene Lobby hatte und es für die Opernintendanten leicht war, diese Sparte als „Steinbruch“ zu benutzen, um einen großen Teil des Einsparvolumens zu erbringen... Im vergangenen Frühjahr habe ich – wie Sie wahrscheinlich übersehen haben – einen Vorstoß gemacht, die Ballett GmbH doch dahingehend zu strukturieren, dass eine separate zeitgenössische Compagnie neben der klassischen dort ihren Platz finden könnte. Dieser Vorstoß (...) fand in einer entsprechenden Runde der Opernintendanten (ich war ja zu diesem Zeitpunkt lediglich Chefregisseur) keinen Zuspruch. Es handelte sich bei den Diskussionen zur Opernstrukturreform um einen regelrechten Existenzkampf, in dem mit teilweise sehr harten Bandagen gekämpft wurde. Es ist bedauerlich, dass der zeitgenössische Tanz das Opfer dieser Entwicklung geworden ist, aber Sie sehen, dass es sich um außerordentlich komplizierte politische Entscheidungsprozesse gehandelt hat, die eine starke Eigendynamik entwickelt haben. Im Moment bleibt mir nichts anderes zu tun, als die Leitung der Ballett GmbH aufzufordern, unsere Tänzer bevorzugt bei der Besetzung der noch verfügbaren Tänzerstellen zu berücksichtigen. Diese Zusage wurde mir inzwischen gegeben. Wie weit sie nützt, werden wir sehen. Die soziale Situation einiger Tänzer geht mir persönlich sehr nahe. So bemühe ich mich momentan für die Kollegen aus nicht EU-Ländern um Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung, um ihnen Folgeengagements zu erleichtern. Ich bedauere, dass ich Ihnen keine Änderung des Status quo mitteilen kann. Mit freundlichen Grüßen
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