Und schon ist er wieder da, der Glanz in seinen Augen. Die Arbeit mit Neumeier und die Zugehörigkeit zu seiner Compagnie – davon erzählt er gern: „Teil dieser Compagnie zu sein, ist gleichermaßen Ehre als auch Verantwortung. John legt großen Wert darauf, wer seine Tänzer sind und was ihre Individualität und Persönlichkeit ausmacht. Das nutzt er, um seine Choreografien zu entwickeln. Dabei spielen Vertrauen und Ehrlichkeit eine große Rolle. Denn um alles geben zu können, muss man offen sein und dadurch wiederum wird man sehr verletzlich. Wir sind in der glücklichen Lage, eine ausgesprochen vertrauensvolle Atmosphäre in unserer Compagnie zu haben. Wir sind eine echte Familie.“ Arbeit im DialogEine Familie mit einem Patriarchen an der Spitze? Früher einmal vielleicht. John Neumeier hat anlässlich seines 30-jährigen Ballettjubiläums in diesem Jahr Bilanz gezogen und festgestellt, geduldiger und gelassener geworden zu sein. Heute ist seine Arbeit vor allem ein Dialog. Für Vorschläge seitens der Tänzer sei er stets offen, betont Riggins, die Stücke würden gemeinsam erarbeitet. Darüber hinaus nennt er Neumeier einen „großartigen Kommunikator“, der es verstehe, sein choreografisches Vokabular klar auszudrücken und seine Tänzer dort abzuholen, wo sie sich in ihrer individuellen Entwicklung gerade befinden. „John glaubt daran, dass alles zusammenhängt. Er hat dieses erstaunliche Talent die einzelnen Punkte in unserer Geschichte miteinander zu verbinden und sie auf unsere aktuelle Arbeit zu beziehen.“ Der große ErfolgEin gutes Beispiel dafür ist Neumeiers Neuinszenierung „Tod in Venedig“. Für die Darstellung des Gustav von Aschenbach ist Riggins im April mit dem Prix Benois de la Dance 2004 ausgezeichnet worden, einem der renommiertesten Tanzpreise. An die Arbeit an dieser Rolle denkt er gern zurück: „Ich konnte quasi auf alles, was ich in meinem bisherigen Leben erlebt hatte, zurückgreifen und es einfließen lassen. Es ist ja so: Jeden Tag lernt man etwas. Jede Person, die man kennen lernt, alles was man erlebt, wird zu einer Erfahrung. Und in dieses Ballett konnte ich davon ungeheuer viel einbringen – sowohl im kreativen Prozess als auch bei den Aufführungen selbst. Das war wirklich etwas Besonderes.“ Purer GenussDas spürt auch das Publikum. Nicht nur die Premiere im Dezember letzten Jahres brachte stehende Ovationen. Noch immer ist das Stück ausverkauft. Die Zuschauer sind fasziniert von dem Spannungsfeld aus apollinischem und dionysischem Prinzip, das Neumeier seinen Aschenbach durchleben lässt. Der Erfolg der Inszenierung hat Riggins nicht überrascht: „Ich hatte nie den geringsten Zweifel am Erfolg dieses Balletts. Es musste funktionieren, denn dieses Stück kam zu einer perfekten Zeit in mein Leben. Es passte einfach alles: Wer ich jetzt bin, wo ich künstlerisch stehe, mein Verständnis für bestimmte Zusammenhänge und der Grad an Reife, den ich erlangt habe. Es war purer Genuss, dieses Ballett zu tanzen – kombiniert mit extrem harter Arbeit.“ Zukunft in der PädagogikMit seinen 34 Jahren nähert sich Riggins nun einem Alter, das für viele Tänzer den Abschied von der Bühne bedeutet. Die starke körperliche Belastung zwingt gerade männliche Tänzer zu einem Karrierewechsel, wenn sie etwa Mitte 30 sind. Dementsprechend hat auch Riggins sich Gedanken gemacht, was ihm die Zukunft bringen soll. Im privaten Bereich könnte er sich eine Familie vorstellen. Seit 1991 ist er mit Niurka Moredo verheiratet, die ebenfalls in der Hamburger Compagnie als Solistin tanzt. Beruflich tendiert er zu einer pädagogischen Tätigkeit und ist auch in dieser Hinsicht bereits aktiv. 2002 wurde er zum ersten Gastlehrer der Königlich Dänischen Ballettkompanie ernannt. Doch noch ist von einem tänzerischen Ende in Hamburg keine Rede. Zwar beobachtet Riggins seinen Körper ganz genau, doch der ist offensichtlich noch nicht am Ende seiner Leistungskraft: „Im Laufe der Zeit verändert sich der Körper. Das ist ganz natürlich, kann aber erschreckend wirken. Doch man muss es akzeptieren. Als ich älter wurde, wusste ich, dass ich weitertanzen will. Also musste ich einen neuen Umgang mit meinem Körper lernen. Die Liebe und der Wille zum Tanzen haben mir dabei geholfen. Heute finde ich diesen Prozess sogar gut. Er bringt mich dazu innezuhalten und zu schauen, ob das, was ich tue, das Richtige für mich ist.“ Diese besondere Sensibilität, sich und seine Arbeit ständig zu hinterfragen, kennt jeder Künstler. Sie kann aber auch zum Problem werden, weiß Riggins: „Auf der Bühne sollte man ganz in der Musik und dem Tanz aufgehen und dabei am besten gar nicht denken. Aber früher war da oft diese nervige kleine Stimme in meinem Hinterkopf. Ich habe eine sehr lebendige Phantasie und so dachte ich ständig: Oh, das war schrecklich. Wie sehe ich aus? Wie steht mein Fuß? Das hat mich viel zu viel Energie gekostet. So war ich ständig mit mir beschäftigt und konnte dem Publikum nichts geben. Aber genau darum geht es: Dem Publikum alles zu geben. Man muss also zu einem Punkt kommen, wo man sich einfach so akzeptiert, wie man ist. Man muss sagen: Schaut her: Das bin ich. Ich bin ehrlich und ich stehe heute vor euch und gebe euch alles, was ich habe.“ Das Hamburger Publikum spürt diese Hingabe. Kein Abend endet ohne begeisterten Applaus, der nochmals anschwillt, wenn Riggins sich verbeugt. Dann erkennt auch er, wie sehr das Publikum ihn schätzt. Aber bis dahin bleibt jedes Mal die Unsicherheit des Künstlers, der versucht die Stimmung im Theater zu erraten, während er tanzt. Riggins erklärt das so: „Künstler sind alle ein wenig verrückt. Wir sind so sensibel, wir versuchen ein Flüstern in der Luft zu deuten. Wir wollen das Herz des Publikums gewinnen und Emotionen auslösen. Das ist im Grunde kein wirklich greifbares Ziel, aber zugleich doch sehr real. Es ist ein wenig wie Zauberei. Das macht es so wundervoll und zugleich so schwer. Aber andererseits: Alles was gut ist, ist schwer.“
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