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Editorial

Eine noch vor wenigen Jahren undenkbare Art verbaler politischer Unkorrektheit beginnt laut zu werden. Die Klassengesellschaft meldet sich zurück. Nur: Der vierte Stand heißt nicht mehr Proletariat, sondern „Unterschicht“. Die Unterschicht Anatoliens hätten wir uns ins Land geholt, heißt es in einer Talkshow des Bayerischen Rundfunks. Die Unterschicht wird immer größer, titelt DIE ZEIT. Die Kinder der Unterschicht sind chancenlos, meint die Süddeutsche Zeitung. Die Stuttgarter Zeitung umschreibt es so: „In einer reichen Gesellschaft wächst die Zahl der Menschen, die nicht mehr mithalten können.“ Und das Wochenmagazin DER SPIEGEL nennt im Zusammenhang mit der sechsten Staffel von „Big Brother“, für die sich 26.000 Menschen beworben haben, den Fernsehveranstalter RTL II ganz unverblümt den Unterschichtensender.

Auf die von der oben genannten Wochenzeitung gestellte Frage: „Wer sind die Menschen, die nicht mehr dazu gehören?“ gibt es wohl nur eine Antwort: Es sind die Ungebildeten.

  

Stefan Meuschel

 

Es steht zu vermuten, dass die von den Propagandisten vorkultureller Ursuppen seit drei Jahrzehnten verspotteten, ja verteufelten Kulturpessimisten, mit tödlicher Wirkung als „Bildungsbürger“ verunglimpften Menschen, die da eine soziale Katastrophe als Folge des deutschen Bildungsnotstandes vorhersagten, eine späte, vielleicht zu späte Rechtfertigung erfahren.

Unbildung ist nicht dem Ungebildeten als persönliche Schuld zurechenbar, sondern dem, der ihm die Chancen der Bildung verweigert. Nachdem die Verschuldung der öffentlichen Hand mit 1,5 Billionen Euro (ohne die Nebenhaushalte) sie handlungsunfähig zu machen droht, so dass die bisherige Politik, Armut durch transferiertes Geld zu lindern, nicht mehr funktioniert, gewinnt der böse Spruch, die Dummen seien auch immer arm, seine volle Wahrheit. Die Umverteilung von unten nach oben, durch die aus der Staatsverschuldung resultierenden Zinsflüsse kräftig gefördert, wird im neuesten „Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung“ überdeutlich. Das oberste Zehntel der Bevölkerung, die Reichen also, besitzt im Jahr 2003 mit 624.100 Euro pro Kopf 47 Prozent des gesamten Volksvermögens (ohne Berücksichtigung der Betriebsvermögen). Um 31 Prozent hat ihr Vermögen in den vergangenen zehn Jahren zugenommen. Das unterste Zehntel, die Armen also, „besitzt“ 7.900 Euro Schulden, sein Vermögen hat im selben Zeitraum um 276 Prozent abgenommen. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung, also die unteren fünf Zehntel, nennt gerade mal vier Prozent des Volksvermögens ihr eigen.

Die öffentlichen Hände haben kein Geld mehr, Bildung und Kultur hinlänglich zu finanzieren, die Armen erst recht nicht. Wie ein schlechter Hintertreppenwitz mutet da das Geheul um die Einführung von Studiengebühren mit sozialer Komponente an, wenn gleichzeitig Vorschul-Kindergärten so gut wie gar nicht vorhanden, normale Kindergärten aber gebührenpflichtig sind. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, lautet da der einschlägige, der Bildungspolitik offenbar unbekannte Spruch. Bildungsdefizite im Elternhaus, in der Vorschule, in den ersten Schuljahren sind bekanntlich nicht mehr tilgbare Hypotheken. Ausbildungsunfähige Jugendliche sind das Ergebnis.

So lange die Bildungspolitik keine Kehrtwendung macht, so lange sie weiterhin die Etats für Bildung, zu denen untrennbar die Etats für musische und kulturelle Bildung gehören, als kostenträchtige soziale Leistungen und nicht als Investitionen betrachtet, wird die Umverteilung sich fortsetzen, wird die Unterschicht der Armen und damit Dummen wachsen. Die als Begründung für mangelnde Investitionsbereitschaft in Bildung und Kultur genannte öffentliche Armut ist ebenso wenig anonymes Schicksal, das unversehens über den Staat hereinbricht, wie ungebändigter Kapitalismus, Globalisierung oder Lohn-Dumping durch die Ost-Erweiterung der EU dies sind.

Es ist einiges faul im Staate Bundesrepublik. Mit ruhiger Hand zuzuwarten, bis die Unterschicht aus gutem Grund zu revoltieren beginnt und wahrscheinlich auf die falschen Barrikaden steigt, ist sicherlich nicht der richtige Weg.

Stefan Meuschel

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