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Die Kunst der richtigen Dosierung

Bilanz der Münchner Ballettwoche · Von Malve Gradinger

Staatsballettchef-Chef Ivan Liska, bisher eher mit einer Tendenz des „Zuviel“, ist diesmal eine ausgewogene schöne Ballettwoche gelungen. Ein abwechslungsreicher „Dreiklang“ gleich der Auftakt mit dem uraufgeführten „So nah so fern“ von Itzik Galili, dem für München neuen Balanchine-Klassiker „Agon“ (1957) und Jiri Kyliáns mysteriös-schönem „Bella Figura“. Stilistisch wurde in dieser Woche die ganze Stil-Palette von Klassik und Neoklassik bis Moderne und (Forsythe-)Postmoderne technisch glänzend vorgeführt. Das Publikum im Münchner Nationaltheater honorierte enthusiastisch Galilis „So nah so fern“ – ein Triptychon, das mit seiner düster-aggressiven Dynamik fasziniert. In Teil I wachsen nacheinander fünf Tänzer aus ihren am Boden befestigten rosenbestückten Gewändern. An den Füßen gesichert durch eine verdeckte biegsame Halterung, schwingen sie riskant hin und her, wie man es schon in den 80er-Jahren in den als „energy circus“ konzipierten spektakulär-akrobatischen Stücken von US-Choreograph Moses Pendleton (auch in München) gesehen hat. Hier wirken diese Pflanzenmenschen leicht kunstgewerblich, dienen Galili, der generell ja für kleinere Ensembles und Räume arbeitet, offensichtlich als Zeit-Füllsel.

 
„Agon“ von George Balanchine mit dem Bayerischen Staatsballett. Foto: Wilfried Hösl
 

„Agon“ von George Balanchine mit dem Bayerischen Staatsballett. Foto: Wilfried Hösl

 

In Teil II bevölkern 18 Tänzer, gestylt zwischen Barock und Pop, die mit runden Licht-Spots, -Kegeln und -Gittern flackernd belebte Bühne, angepeitscht von der sinfonisch-perkussiven, gelegentlich minimalistischen Komposition des holländischen Trios Percossa. Insgesamt verwendet Galili vorwiegend ein wild zuckendes vom „Capoeira“ inspiriertes Vokabular. Pointiert von ihm einchoreographiert das wie eine Waffe eingesetzte hochkreisende Bein-Ausschlagen dieser brasilianischen Kampfkunst. Hier, so der Eindruck, liegt jeder im Krieg mit sich selbst. In der ästhetisch zugefeilten Aggression der Bewegung glaubt man die Dauer-Spannung zu spüren, unter der die Menschen in Israel und Palästina existieren.

Teil III dann eine Dreiecksbeziehung, von Sherelle Charge, Norbert Graf und Wlademir Faccioni eindringlich getanzt, ein sehr klar gestaltetes gegenseitiges Festkrallen und Freischwimmen aus Abhängigkeiten. Hier überzeugt Galili, vielleicht weil er beim Erarbeiten einer Choreografie den Tänzer gleich zu Beginn mit dem Inhalt vertraut macht – darin dem Schauspielregisseur ähnlich –, danach erst die Schritte lehrt. Für die großen Linien und Strukturen einer Tanz-Geschichte müssen ihm vorerst Meister wie Kylián noch Vorbild sein.

Da das Geld knapper wurde, sind Gäste – früher häufig zu sehen – heute eher die Ausnahme. Im Programm der New Yorker Limón Dance Company allerdings hätte man gerne verzichtet auf Lar Lubovitchs „Concerto Six Twenty-Two“, musealer TV-Ringelreihen zu Mozarts Klarinettenkonzert, wie auch auf Susanne Linkes handwerklich sauber gemachtes, aber blutleeres „Extreme Beauties“ (2004 für die Limón Dance). Glückserlebnis jedoch bei „Psalm“ von José Limón (1908-72), neu unterlegt mit Musik von Jon Magnusson. Ein Stück von 1967, noch aus der Hochzeit des US-Modern-Dance, mit seinen strengen Formationen, seinen scharf umrissenen Körperkonturen, der Echtheit seines menschlich-religiösen Gefühls heute ein Klassiker.

Einen wunderbaren Abend erlebte man auch mit Berlins illustrem Ballett-Intendanten Vladimir Malakhov, der trotz seiner 36 Jahre einen jugendlich-verträumten Romeo tanzte, zurückhaltend, privat im Ausdruck, technisch elegant. Souverän und hochmusikalisch die kniffligen Cranko-Pas-de-deux mit Münchens Elite-Ballerina Lucia Lacarra. Und die besondere Entdeckung: Jekaterina Osmolkina und Andrian Fadejew in Ivan Liskas „Dornröschen“ (nach Petipa/Sergejew). Zwei junge Sterne vom St. Petersburger Mariinsky Ballett (wie jetzt das Kirow wieder heißt). Osmolkina perfekt geschult in den klassisch „gesetzten“, geradezu anti-individuellen „Dornröschen“-„ports-de bras“: eine Ballerina am Anfang ihrer Karriere, mit ihrem schmalen Kinderkörper irgendwie jungfräulich und deshalb genau stimmig als Aurora. Andrian Fadejew, kein hochgewachsener Prinz, aber exquisit feingliedrig gebaut, vor allem ein subtiler Künstler. Ganz allmählich nur lässt er seinen Désiré Präsenz gewinnen, Raum füllen. Lässt seine Erotik, sein Charisma spielen, bis der Zuschauer nach jeder seiner Gesten süchtig geworden ist.

Der Bühnenabschied von Münchens dramatischer Primaballerina Judith Turos markiert auch nach außen einen Generationenwechsel. Bis auf eine Handvoll Tänzer noch aus der Ära Konstanze Vernon ist es jetzt Liskas Ensemble, ein exzellentes – von dem man bis 2011, bis dahin läuft sein Vertrag, noch sehr viel mehr erwartet.

Malve Gradinger


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