Das Nationale Jugendorchester Spaniens ist in diesem Jahr das Opernorchester. Die jungen Musiker folgten der behutsamen aber straffen Führung von Yakov Kreizberg, der auch die Akteure auf der Bühne an unsichtbaren Fäden leitete und damit ein Gesamtbild einer Bühnen- und Orchesterlandschaft schuf. Mittelpunkt der Weikersheimer Premiere ist Violetta, La Traviata, die Verirrte, Zerrissene. Auf sie ist die Inszenierung zugeschnitten, auf diese wunderbare Stimme der Koreanerin Ga-Seoul Son. Mit ihrem klaren, kraftvollen Sopran meisterte sie die schwierigsten Koloraturen ebenso wie die weichen, tieferen Passagen ihrer Arien oder Rezitative. Beeindruckend ist, wie leidenschaftlich diese zierliche Frau ihre zwei Gesichter – die Hure und die Liebende – zu einer Person vereint, wie sie Hingabe, Schmerz, Verlassenheit und Stolz ausdrucksvoll zu spielen weiß. Ihr Partner Alfredo, Sa-Hoon Johannes An, hatte dieser strahlenden Violetta wenig entgegenzusetzen. Jae-Seop Kim als Giorgio, Alfredos Vater, überzeugte dagegen mit einem kräftigen, warmen Bariton. Die Inszenierung , nach einem Konzept von Manfred Weiß, ist in die heutige Zeit gesetzt. Sie ist aus einem Guss, was Bühnenbild und Kostüme deutlich machen. Fünf Container in zwei Stockwerken übereinander, riesige Rachen, die Menschen verschlucken und wieder preisgeben, mit Jalousien zu öffnen oder zu verschließen, was im Zusammenspiel mit Licht und Farbe überraschende Effekte auslöst. Ein karges Bühnenbild spielt dennoch mit vielen Symbolen. Eine große Tapetenwand weitet den Blick in einen Park, Monitore holen dem Zuschauer den Weikersheimer Schlosspark und Alfredo die glückliche Violetta gleich mehrfach auf die Bühne. Schrill und bunt ist die Welt Violettas und ihrer Freunde, einer trinkfreudigen und sexbesessenen Gesellschaft. Hier tritt der Chor in Aktion, in grellen, frechen, ja, gewagten Kostümen, geschminkt und gestylt. Der Landesjugendchor Nordrhein-Westfalen ist hier in seinem Element . Lärmende, ineinander verschlungene Paare. Das tanzt, wiegt und wackelt, stampft, hüpft und liebt nur so durcheinander. Alles ist hier mit Geld zu haben: Spiel, Sex und Spaß. Farbige, lebendige Szenen, die durch die Container wogen, Menschen auf der Suche nach ein bisschen Nähe, Zärtlichkeit und Glück, bis auch sie der Schrecken erreicht, den Krankheit und Tod ihrer Primadonna Violetta verbreiten. Da wird im dritten Akt das Bühnenbild in fahles Weiß getaucht, ein Leichentuch, das Violettas Sterben andeutet. Noch einmal geht der Blick zurück auf ein Leben, das ihr nur eine kurze Zeit Glücklichsein schenkte, eine kleine Hoffnung keimt auf, als Alfredo noch einmal zu ihr zurückkommt. Eine Szene mit Violettas Double, ein Bild wie eine Metapher. Ganz unsentimental hat die Regie die Weikersheimer Oper zu einem rundherum stimmigen Kunstwerk geformt, vor allem mit jungen Menschen, die in Weikersheim gemeinsam arbeiten, sich austauschen, gegenseitig anregen und internationale Gemeinschaft erleben, und für die der Sommerkurs im Schloss darüber hinaus oft schon ein Sprungbrett auf die Bühnen der Welt geworden ist. So stand auch die Weikersheimer „Traviata“ ganz in der Tradition der Jeunesses Musicales Deutschland, die sich „für die Vision einer humanen Gesellschaft im Zeichen der Musik“ einsetzt und musikalische Bildung „als Weg des Menschen zu sich selbst“ sieht, verbunden mit „innovativen Impulsen für das Musikleben“. Barbara Kerschkowsky
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