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Spielfreude und stimmliches Potenzial

Die Musikalische Komödie Leipzig und ihr Chor · Von Barbara Lieberwirth

In Deutschland gibt es lediglich zwei The-ater, die ausschließlich Operette und Musical spielen. Beide Häuser stehen in Sachsen: die eigenständige städtisch finanzierte Staatsoperette in Dresden einerseits und andererseits die Musikalische Komödie in Leipzig, die an das hiesige – ebenfalls städtische – Opernhaus angegliedert ist. Beide Häuser können auf eine lange bewegende Geschichte zurückblicken. Im Fokus des folgenden Artikels soll die Musikalische Komödie stehen, und hier besonders deren Chor.

Verschiedene Spielstätten

Spielfreude und Bühnenpräsenz: Der Chor der Musikalischen Komödie Leipzig zeigt sich in der Premiere von „Lend me a Tenor“ von seiner besten Seite. Fotos: Bettina Stöß

Spielfreude und Bühnenpräsenz: Der Chor der Musikalischen Komödie Leipzig zeigt sich in der Premiere von „Lend me a Tenor“ von seiner besten Seite. Fotos: Bettina Stöß

Die Operette steht bereits seit Entstehen des Genres in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf den Spielplänen der Leipziger Theater. Oft wurden die beliebten Stücke von Jaques Offenbach, Johann Strauß und Franz von Suppé ins Repertoire genommen, nicht selten um die klammen The-aterkassen aufzufüllen. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert verfügte das Operetten-ensemble im Neuen Operetten-Theater über eigene Räume im Gebäudekomplex des Leipziger Central-Theaters. Hier gaben sich die Stars des Genres die Klinke in die Hand: Richard Tauber und Johannes Hesters waren umjubelte Gäste; Paul Abraham, Nico Dos-tal, Franz Lehár, Fred Raymond sowie Paul Lincke dirigierten hier eigene Werke. Die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs setzten dem ein jähes Ende, das Central-Theater war samt Operettentheater wie fast alle Leipziger Spielstätten zerstört. Für die Ensembles hieß es, fortan in Interimsspielstätten zu agieren. 1960 wurde dann das neue Opernhaus am Augustusplatz eröffnet. Mit dem Umzug des Opernensembles ins neue Haus sollte jetzt dessen Übergangsspielstätte, das „Haus Dreilinden“ im Leipziger Stadtbezirk Lindenau zum festen Haus des Operettenensembles werden. Das Gebäude wurde in „Kleines Haus“ umbenannt und gehörte als gleichberechtigtes zweites Musiktheater fortan zum „Theaterkombinat“, wie der Verband der Leipziger Theater damals im Volksmund hieß. 1968 erhielt das Haus seinen bis heute gültigen Namen: Musikalische Komödie (MuKo). Mit der politischen Wende in der DDR und der juristischen Eigenständigkeit der MuKo wuchs die soziale Verunsicherung des Ensembles, so dass das Angebot des damaligen Opernintendanten Udo Zimmermann, mit der Oper Leipzig zu fusionieren, gern angenommen wurde. Es folgten mehrfach dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen mit zeitweiliger Schließung des Hauses in Lindenau. Das Publikum ist trotz der sanierungsbedingten „Auslagerung“ ins Opernhaus und der stetig wachsenden Gastspieltätigkeit des Ensembles in allen drei deutschsprachigen Ländern „seiner“ MuKo immer treu geblieben. Gegen die kontinuierlich auftretenden Schließungsdebatten im Rathaus der Stadt wurde vehement protestiert, was dazu führte, dass sich Leipzigs Oberbürgermeister zum Standort der MuKo in Lindenau bekennt.

Enge Publikumsbindung

Was führt dazu, dass ein Operetten- und Musical-Ensemble eine solche Resonanz erfährt? Konstante Leistung, Identitätsstiftung, gleichbleibende Akzeptanz und enge Publikumsbindung: Das alles sind Attribute, die dem Ensemble zugeschrieben werden. Dem Ensemble als Ganzem wohlgemerkt, bestehend aus Solisten, Orchester, Ballett und Chor. Jana-Maria Eberhardt und Roland Otto, zwei Mitglieder des Chores der MuKo, sind davon überzeugt, dass diese enge Publikumsbindung ein Garant für die Zukunft der Operette in Leipzig ist. Beide schwärmen vom Zusammenhalt des Ensembles. Ob Solist, Balletttänzerin, Techniker oder eben Chorsängerin: Standesdünkel und Überheblichkeit sind in der MuKo nicht zu finden. Der allabendliche Applaus wird der Gesamtleistung des Ensembles zugeschrieben. Diese fast familiäre Atmosphäre ist über Jahre hinweg gewachsen und vielleicht auch dem Genre Operette zuzuschreiben. Eine wichtige Rolle als Bindeglied zwischen den einzelnen Sektionen des Theaters könnte dabei der Chor spielen. Ist doch die Operette oder das Musical durch eine Vielzahl kleiner Solopartien auf einen leistungsstarken und spielfreudigen Chor angewiesen, der oftmals mit den Hauptfiguren eine Symbiose eingeht.

Verschiedene Chorstärken

Drei Bunnies in „Lend me a Tenor!“: Anne-Kathrin Fischer, Ariane Liebau und Verena Barth-Jurca mit

Drei Bunnies in „Lend me a Tenor!“: Anne-Kathrin Fischer, Ariane Liebau und Verena Barth-Jurca mit Patrick Rohbeck. Foto Bettina Stöß

Ein solch leistungsstarker Chor ist der Chor der Musikalischen Komödie, der aus 24 Sängerinnen und Sängern besteht und seit 2007 von Chordirektor Mathias Drechsler geleitet wird. Die Größe des Chores änderte sich in seiner Geschichte mehrfach: Im Jahr 1946 verzeichnete die Personalliste des Theaters lediglich zehn Chorsänger, zum Zeitpunkt der Fusion mit der Oper Leipzig zählte der Chor 40 Mitglieder. Natürlich sind bei größeren Produktionen 24 Chorstimmen nicht ausreichend, deshalb nutzt die MuKo ihren Standortvorteil und engagiert für den Extrachor Gesangsstudentinnen und -studenten der Leipziger Hochschule für Musik und Theater. Ein Teil der Mitglieder des MuKo-Chores hat hier ebenfalls sein Gesangsstudium absolviert. Eine fundierte Ausbildung und Privatunterricht noch während der Berufsausübung ist Voraussetzung, um ein derart vielfältiges Repertoire wie das eines Operetten- und Musical-Theaters zu bewältigen. Stimme und Körper müssen permanent durch Privatunterricht geschult und fit gehalten werden. Seit der Fusion mit der Oper Leipzig kommt der Chor der MuKo zudem bei außergewöhnlichen Opernprojekten auf der Bühne des Opernhauses zum Einsatz. Der etwa 70 Stimmen zählende Opernchor wurde zum Beispiel bei der Uraufführung von Stockhausens „Dienstag aus Licht“ sowie in Berlioz’ „La Damnation de Faust“ und „Les Troyens“ durch den Chor der MuKo aufgestockt. Chorpartien kleinerer Formen wie die „Kleine Offenbachiade“ mit drei Einaktern oder zeitgenössische Kammeropern wie „Das Wachsfigurenkabinett“ von Karl Amadeus Hartmann wurden in der Vergangenheit ausschließlich vom Chor der Musikalischen Komödie realisiert.

Umfangreiches Programm

Im eigenen Haus in Leipzig Lindenau steht der Chor während der aktuellen Spielzeit insgesamt in fünf Musicals und sieben Operetten auf der Bühne. Hinzu kommen Gastspiele in Friedrichshafen, Aschaffenburg, Regensburg und Berlin. Die letzte Premiere, die deutsche Erstaufführung des Musicals „Lend me a Tenor!“ von Peter Sham und Brad Carroll nach der Boulevardkomödie „Otello darf nicht platzen“ von Ken Ludwig, war eine rasante und witzige Inszenierung, in dem sich das Thea-ter selbst auf die Schippe nimmt. Die Verwechslungskomödie in der Inszenierung von Oberspielleiter Volker Vogel und unter musikalischer Leitung des langjährigen Chefdirigenten Roland Seiffarth war eine Höchstleis-tung aller Beteiligten. Nur zwei Jahre nach der Uraufführung in London hat Leipzig den Zuschlag für die deutsche Erstaufführung erhalten. Ken Ludwigs einzigartige Komödie vom Sprechtheater auf die Musicalbühne zu heben, ist gewiss kein leichter Akt. Umso bewundernswerter ist, mit welcher Leichtigkeit das Ensemble die Otello-Persiflage umsetzte. Zu verdanken ist diese Leichtigkeit auch dem italienischen Choreografen Giorgio Madia, der nicht nur die Ballettszenen einstudierte, sondern vor allem den Chor zu szenischen Höchstleistungen brachte. „Lend me a Tenor!“ ist eine Musical-Inszenierung, die nicht nur in der Presse höchstes Lob erfuhr, sondern die Besucher aller Altersgruppen in die MuKo locken wird. Um die Zukunft der musikalischen Komödie in der Musikalischen Komödie muss einem nicht bange sein.

Barbara Lieberwirth

 

 

 

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