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Vermittlung und Vernetzung

Der Bundesverband Tanz in Schulen · Ein Gespräch mit Katharina Schneeweis

Der Bundesverband Tanz in Schulen e.V. ist ein Verein, der sich seit 2007 dafür engagiert, der zeitgenössischen Tanzkunst in den allgemeinbildenden Schulen einen größeren Stellenwert zu verschaffen. Im Rahmen des Projekts „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ (s. O&T, 2-13, S.8) ist der Bundesverband Tanz in Schulen einer der beteiligten Verbände, die lokale Bildungsbündnisse vor Ort initiieren und die zur Verfügung stehenden Mittel verteilen. Katharina Schneeweis ist Gründungsmitglied des eingetragenen und gemeinnützigen Vereins Bundesverband Tanz in Schulen. Von 2007 bis 2011 leitete sie die Geschäftsstelle in Köln. Seit Herbst 2011 ist sie Beisitzerin im Vorstand und hat für „Kultur macht stark“ federführend das „Chance Tanz“-Konzept entwickelt. Barbara Haack sprach mit ihr für „Oper & Tanz“.

Oper&Tanz: Was ist der Bundesverband Tanz in Schulen und was sind Ihre Ziele?

Katharina Schneeweis. Foto: Privat

Katharina Schneeweis. Foto: Privat

Katharina Schneeweis: Der gemeinnützige Verein „Bundesverband Tanz in Schulen e.V.“ wurde 2007 gegründet und entwickelte sich aus einer Initiative, die schon im Jahr 2003/2004 unter anderem in Nordrhein-Westfalen entstanden ist. Dort wurden Ganztagsgrundschulen eingeführt, die auf den Einsatz außerschulischer Partner aus Sport, Kunst und Kultur angewiesen waren. Damit und als Folge auf den Pisa-Schock war die kulturelle Bildung wieder in aller Munde. Das nrw landesbuero tanz hat sich damals für den Tanz in Schulen sehr stark gemacht. Daraus entwickelte sich mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die Verbandsgründung. Es geht uns darum, die zeitgenössische Tanzkunst und Tanzkultur vor allem in der schulischen Bildung zu etablieren. Schülerinnen und Schülern aus allen Schulformen und Schultypen sollte ein Zugang zur Tanzkunst ermöglicht werden. Ging es anfangs vor allem um die Schulen, beobachten wir mittlerweile auch eine starke Tendenz zu Kooperationen mit außerschulischen Einrichtungen.

nrw landesbuero tanz: Choreografie von Birgit Zimmermann. Foto: Sabine Große-Wortmann

nrw landesbuero tanz: Choreografie von Birgit Zimmermann. Foto: Sabine Große-Wortmann

In den ersten Jahren konnten wir mit Hilfe eines dreijährigen Projekts des Bundesbildungsministeriums (BMBF) erste Grundlagen schaffen. Wir haben zunächst einmal definiert, was diese „Tanz in Schulen“-Projekte ausmacht, was die gemeinsame Grundlage ist, und haben Tools und Instrumente entwickelt, um die Qualität in den „Tanz in Schulen“-Projekten greifbar zu machen und sie auch mittels der Instrumente sichern zu können. Dabei haben wir erkannt, dass es ganz viel Bedarf an Austausch zwischen den Schulen und den Tanzunterrichtenden und auch zwischen den Tanzunterrichtenden untereinander gibt. Wir haben zahlreiche Fachtagungen organisiert und in vielen intensiven Arbeitstagungen als Grundlage einen Qualitätsrahmen geschaffen sowie eine Online-Projektdatenbank mit angeschlossenem Reflexionstool entwickelt. All das steht Interessierten über unsere Webseite zur Verfügung. Im Fokus unserer Arbeit steht die Aufgabe, die „Tanzvermittler“, also Tanzkünstler, Tanzpädagogen und Choreografen, in ihrer Arbeit in der Schule und bei ihren Projekten zu unterstützen. Und es geht auch darum, die tanzpädagogische Forschung anzuschieben und zu vernetzen.

O&T: Hat sich, seitdem es Ihren Verband gibt, quantitativ oder qualitativ etwas verändert?

Schneeweis: Auf alle Fälle. Das ist natürlich nicht ausschließlich auf unsere Arbeit zurückzuführen, sondern auch darauf, dass in der Zeit zwischen 2004 und 2011 der Tanz und die Tanzpädagogik in Deutschland viel Anschub bekommen haben. Nach dem schon erwähnten Pisa-Schock haben sich alle auf das Bildungsthema gestürzt. Es gab viele Reformen in der Bildungspolitik. Es gab den „Rhythm is it“-Film; und natürlich von 2005 bis 2010 den „Tanzplan Deutschland“, ein Projekt der Kulturstiftung des Bundes. All diese Bewegungen haben dem Tanz dazu verholfen, seinen Platz in der kulturellen Bildung zu behaupten und auszubauen.

O&T: Wie würden Sie die besondere Rolle des Tanzes im Bereich des gesamten Spektrums der kulturellen Bildung verorten?

Schneeweis: Der Tanz ist ein leibliches Phänomen und eine „hautnahe“ Angelegenheit. Im Tanz nimmt man die eigene Körperlichkeit wahr und setzt sich damit auseinander. Der Tanz hat einen vergleichsweise großen Freiraum für subjektive Auslegungen und individuelle Ausgestaltung. Über das aktive Tun im Tanz werden die Kinder und Jugendlichen auf ihre eigene Kreativität, ihre Fantasie und ihren ganz persönlichen individuellen Ausdruck zurückgeführt. Im Tanz funktioniert es besonders gut, Kinder und Jugendliche bei ihren eigenen Themen abzuholen beziehungsweise ihre Alltagsthemen aufzugreifen.

O&T: Wie ist die Reaktion speziell der Jungen auf den Tanz?

nrw landesbuero tanz, Choreografie von Erika Pico und Tanja Berg. Foto: Sabine Große-Wortmann

nrw landesbuero tanz, Choreografie von Erika Pico und Tanja Berg. Foto: Sabine Große-Wortmann

Schneeweis: Das ist sehr unterschiedlich. Jungen sind auf jeden Fall schwerer für Tanzprojekte zu gewinnen. In Deutschland sind aber viele Projekte im schulischen Pflichtunterricht angesiedelt. Das bedeutet, dass die Jungen auch mitmachen müssen. Am Anfang hadern sie oft, aber viele finden am Ende doch einen Zugang und bewerten die Erfahrung positiv. Bei den Jungen ist oft die Vorbildrolle der Tänzer ganz wichtig. Dynamisch starke, oft auch männliche Tänzer, sind da tolle Vorbilder. Trotzdem wollen am Ende eines Projekts nicht alle weitermachen…

O&T: Wenn Sie von Kooperationen sprechen: Geht es immer um Kooperationen von außerschulischen Partnern mit Schulen?

Schneeweis: Ja, der Ursprung unserer Vereinsarbeit sind tanzkünstlerische Projekte mit außerschulischen Partnern in den Schulen. Tanz an sich ist ja in den verschiedenen Rahmenrichtlinien von Schule präsent, allerdings normalerweise nicht als eigenes Fach. Im Sport, im Fach Musik und im Fach Theater findet man den Tanz, allerdings findet er in der Realität oft nicht statt oder hat nur einen sehr kleinen Platz. Heute gibt es verstärktzusätzliche tanzkünstlerische Projekte, die mit Hilfe von außerschulischen Partnern in der Schule stattfinden.

O&T: Und das sind im Wesentlichen Theater oder Ballettcompagnien?

Schneeweis: Teilweise sind es Theater oder Compagnien, die auch in Projekten Vermittlungsarbeit machen. Aber größtenteils gehen solche Projekte von Einzelinitiativen, von einer Institution oder auch Einzelkämpfern aus, die das Thema für wichtig halten und über verschiedenste Fördermöglichkeiten versucht haben, sich Strukturen zu schaffen. Die Projekte an sich sind sehr unterschiedlich. Das nrw landesbuero tanz hat zum Beispiel einen eigenen Fachbereich Tanzvermittlung. Dieser Fachbereich versteht sich vor allem als Vermittlungsstelle zwischen Schulen, Einrichtungen und Tanzvermittlern, führt aber auch eigene Projekte aus. Dann gibt es solche Projekte wie „TanzZeit – Zeit für Tanz in Schulen“ in Berlin, die eine feste Finanzierung ihrer Strukturen haben und regelmäßig im KIassenverband mit verschiedenen Berliner Schulen arbeiten. Oder das Projekt TAPST in Bremerhaven, welches ein Projekt des Arbeitsförderungs-Zentrums im Lande Bremen ist. Fest finanziert ist hierfür eine Tanzkünstlerin, die in verschiedensten Formen Projekte mit Schulen und anderen Partnern initiiert und umsetzt. Es gibt aber auch viele Projekte, deren Strukturen gar nicht finanziert werden und die unter dem ständigen Druck stehen, Projektgelder beantragen und akquirieren zu müssen.

O&T: Haben Sie Wünsche oder Forderungen an die Ausbildungsinstitute von Tänzern in Sachen Pädagogik?

tanzwerk bremen: „Whirlschool – Tanz macht Schule“. Foto: Norbert A. Müller

tanzwerk bremen: „Whirlschool – Tanz macht Schule“. Foto: Norbert A. Müller

Schneeweis: Ja, allerdings hat sich in den letzten Jahren schon einiges getan. Es haben sich im Rahmen von „Tanzplan Deutschland“ zwei Module entwickelt: Das Hamburger „Tanz in Schulen“-Modul ist in die universitäre Lehrerausbildung integriert und hat die Verfahren zeitgenössischer Choreo-grafie zum Inhalt. Das zweite Modul ist in Köln an der deutschen Sporthochschule und der Hochschule für Musik und Tanz angesiedelt und richtet sich vor allem an Tanzkünstler. Die vermittelten Inhalte beziehen sich vorwiegend auf die Arbeit in Schulprojekten, aber eben auch auf die notwendigen Kooperationskompetenzen. Wir versuchen auch weiterhin, dass für den Tanz in Schulen wichtige Inhalte verstärkt Eingang in Tanz- und Tanzpädagogik-Ausbildungen finden.

O&T: „Tanz in Schulen“ ist einer der Partner beim Projekt „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ des BMBF. Was haben Sie vor?

Schneeweis: Im Grundsatz geht es auch in unserem Konzept „Chance Tanz“ darum, vor Ort lokale Bündnisse zu bilden, die mittels tanzkünstlerischer Projekte vor allem bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche erreichen. Wir fördern dann Projekte dieser lokalen Bündnisse. In den Bündnissen muss ein Partner die tanzkünstlerische Expertise einbringen und einer den Zugang zur Zielgruppe sicherstellen. Das bedeutet, dass verschiedenste Einrichtungen der Tanzkunst mit Schulen, Kindergärten oder Jugendeinrichtungen verschiedenster Trägerschaften zusammenarbeiten, gemeinsam ein Projekt planen und durchführen. Als dritte und weitere Partner können Vereine auch aus anderen Kunstsparten oder Ausbildungsinstitutionen Bündnispartner werden. So können auch Studierende (zum Beispiel aus Tanz,Tanzpädagogik, Kulturpädagogik et cetera) in die Projekte einbezogen werden. Im Rahmen von zwei verschiedenen Maßnahmenformaten, die sich vor allem durch ihre Dauer unterscheiden, werden dann individuelle Projekte vor Ort ausgestaltet. Unser Ziel ist, dass sich die Kooperationen so gestalten, dass sie auch über den Zeitraum von fünf Jahren hinaus funktionieren, dass es also weitergeht. Die Projekte werden in ihrer Entwicklung durch unseren Verband fachlich begleitet.

 

 

 

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