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Editorial

Demokratie und Theater: Geht das?

Jeder hat schon mal seine Erfahrungen mit eigenen Vorschlägen in der Arbeit am Theater gemacht, sei es, um zu helfen, sei es, um den ursprünglichen Ansatz einer Inszenierung, bei der man von Anfang an dabei war, zu bewahren... Gut gemeinte Anmerkungen bzw. Vorschläge sind jedoch selten erwünscht und werden als unberechtigte Einmischung missverstanden. Derlei „Demokratie“ im Theater ist in der Regel ein rotes Tuch für Intendanten und Regisseure, Inspizienten und Disponenten.

Die demokratischen Ausprägungen des Theaters werden allerdings hochgehalten, wenn es um Themen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung geht. Erklärungen und Aktionen kultureller Institutionen erfreuen sich gerade in letzter Zeit zunehmender Beliebtheit und stellen auch vermehrt Formen bzw. Instrumente der demokratischen Einflussnahme dar.

Gerrit Wedel. Foto: Charlotte Oswald

Gerrit Wedel. Foto: Charlotte Oswald

Beispielhaft sei an dieser Stelle die gerade im Rahmen der Verleihung des deutschen Theaterpreises DER FAUST mit dem Perspektivpreis des deutschen Bühnenvereins ausgezeichnete seit 2016 bestehende bundesweite Aktion „40.000 Theatermitarbeiter*innen treffen ihre Abgeordneten“ erwähnt. Mit außerordentlichem Erfolg trägt diese Aktion zu einer deutlich intensiveren Auseinandersetzung der „getroffenen“ Politiker mit den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der Theater und der in diesem Bereich Beschäftigten bei und stellt ein herausragendes Beispiel einer kommunikativen Auseinandersetzung mit demokratischen Mitteln dar.

Ein weiteres Beispiel ist die Kampagne ERKLÄRUNG DER VIELEN, die bundesweit am 9. November gestartet ist und bereits von mehreren hundert Kulturinstitutionen unterstützt wird. Dabei wurde das Datum wohl ganz bewusst gewählt, denn der 9. November steht als besonders schicksalhafter Tag in der deutschen Geschichte für bedeutende Entwicklungen, für beschämende historische Ereignisse sowie als Zeichen für Aufbruch und Neuanfang demokratischer Kräfte: Ausruf der Republik vor hundert Jahren und Einführung des Frauenwahlrechts, Reichspogromnacht vor 80 Jahren, Fall der Berliner Mauer...

Mit der ERKLÄRUNG DER VIELEN wenden sich die Unterzeichnenden gegen Nationalismus und Intoleranz und verpflichten sich, für den Erhalt der Freiheit der Kunst einzustehen. Die Kampagne will damit ein deutliches Signal gegen rechtspopulistische und völkisch-nationale Strömungen setzen: „Der rechte Populismus, der die Kultureinrichtungen als Akteure dieser gesellschaftlichen Vision angreift, steht der Kunst der Vielen feindselig gegenüber“ heißt es in der Erklärung.

Unter dem Motto „Solidarität statt Privilegien. Es geht um Alle. Die Kunst bleibt frei!“ sind bundesweit Aktionen, Veranstaltungen und Diskussionen geplant mit dem Ziel, gegen Diskriminierung und für die Kunstfreiheit aktiv zu werden.

Man kann sich natürlich immer die Frage stellen, wie politisch ein Theater abseits der jeweiligen Inszenierungen sein darf, und inwieweit die Beschäftigten dabei in geplante Aktionen verpflichtend einbezogen werden dürfen. Ist das der notwendige Kampf für das bedrohte zentrale Grundrecht der Kunstfreiheit oder stellt es womöglich eine unberechtigte Instrumentalisierung abhängig Beschäftigter dar? Dies ist ein äußerst schwieriges Spannungsfeld und es gibt sicherlich Grenzen, über die hinaus jemand nicht gegen seine innere Überzeugung zu einem bestimmten Handeln verpflichtet werden darf. Das Recht der freien Meinungsäußerung ist allerdings an erster Stelle ein individuelles! Dies gilt etwa auch in der aktuellen Frage, ob und wie man sich „gegen Rechts“ positioniert. Aber in der Kernfrage der Verteidigung der Kunstfreiheit, die als Kommunikationsgrundrecht vom Bundesverfassungsgericht als wesentliches Element der demokratischen Grundordnung gesehen wird, – gerade vor dem Hintergrund der in dieser Frage unrühmlichen deutschen Vergangenheit – ist es doch geradezu die Pflicht jedes Einzelnen am Theater, hierfür vehement einzutreten.

Jede Aktion, die in diesem Sinne für den Erhalt dieser Freiheit eintritt, muss doch eigentlich schon als Existenzsicherung der Theater an sich und damit auch als Sicherung der Lebensgrundlage der dort Beschäftigten gesehen werden. Insofern möchte ich an dieser Stelle allen, die mit Ihrer Arbeit und Kraft bei all den unterschiedlichen Aktionen an den jeweiligen Standorten für den Erhalt dieser Grundwerte eintreten, meinen solidarischen Respekt bekunden.

Gerrit Wedel

 

 

 

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