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Ausgabe 2000/05

Editorial

Stölzls Reformpläne für die Berliner Opernhäuser

Die Thomaner von der Bach-Zeit bis ins 19. Jahrhundert

Theaterkultur hat lange Tradition in Koblenz

Namen & Fakten

Nachrichten

„Jakob von Gunten“ in Meißen uraufgeführt

12. Tanzfest „Tanz im August“ in Berlin

„Levins Mühle“ in Leipzig

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Alles, was Recht ist

Buch & CD aktuell

 

 

 

 

 

Editorial

Hätte es bei irgendeiner politischen oder vereinsrechtlichen Wahl eine Wahlbeteiligung von 0,025 Prozent gegeben, und hätten daraufhin 0,002 Prozent der abgegebenen Stimmen zu Erlangung eines Mandates ausgereicht, wäre das Geschrei groß gewesen.

   

Stefan Meuschel

 

Fast ganz ohne Geschrei wurde das Ergebnis der Wahlen der „Internet Corporation for Assigned Names and Numbers“ (ICANN) zur Kenntnis genommen, obschon es ebenso grotesk ist. Bei weltweit 300 Millionen wahlberechtigten Netznutzern lag die Wahlbeteiligung bei besagten 0,025 Prozent und knapp sechstausend der insgesamt 76.000 abgegebenen Stimmen reichten bei den „größten Online-Wahlen der Geschichte“ aus, um Andy Müller-Maghun zum „Europa-Direktor“ der ICANN zu machen.

Der Vorgang könnte als spaßgesellschaftlicher Beitrag im Guiness-Buch der Negativ-Rekorde abgelegt werden, ließe er nicht böse Folgen erwarten. Andy Müller-Maguhn ist kein virtuelles Cyberspace-Wesen, sondern der ehemalige Sprecher des Hamburger Chaos Computer Clubs. Der zum Gärtner gemachte Hacker-Bock wird künftig weltweit über die Vergabe von Webadressen-Endungen mitbefinden und ein gewichtiges Wort bei Entscheidungen haben, an welchem Punkt die bereits erreichte Unmenschlichkeit der Netzfreiheit endet. Freiheit für Faschisten, Kinderschänder und Börsengauner im virtuellen „Parallel-Universum“ des Netzes?

Unser besonderes Interesse gilt denjenigen Passagen seiner am 17. Oktober 2000 in der FAZ veröffentlichten „Regierungserklärung“, in denen er – in Fortentwicklung der These des französischen Sozialisten Proudhon (1809-1865), Eigentum sei Diebstahl – die Rechtssysteme von Copyright und Urheberschaft attackiert. In seinem herrschaftsfreien Raum, führt Müller-Maguhn aus, werde „Geschenk-Kultur“ herrschen. „Was die Juristen ‚Geistiges Eigentum‘ nennen, ist nichts weiter als ein Diebstahl am öffentlichen Raum. Und da wir – die Netzbenutzer – jetzt keine Lust haben, uns den öffentlichen Raum durch diese Diebe kaputt machen zu lassen, mussten wir ein wenig provokativ werden.“ Blöde „Krawattis“ seien es, die da bürgerlich-altmodisch das Klonen von Dateien schlicht Raubkopieren nennen. Nicht der Beraubte ist das Opfer, sondern der als solcher verfolgte Räuber, weil ihm im öffentlichen Raum des Netzes netzrechtswidrig das vorenthalten wird, was doch allen gehört.

Diese Ideologie vom „kollektiven Netzeigentum“, die die Vernetzung nicht als neues Kommunikationsmittel in dieser, sondern als öffentlichen Raum in einer anderen, „parallelen“ Welt betrachtet, in der zivile Regeln aufgehoben sind, ist alles andere als etwa von rührender Lächerlichkeit. Sie ist ernst zu nehmen, leistet sie doch – und sei es subkutan – den vielerorts ausmachbaren Tendenzen Vorschub, die Rechte am geistigen Eigentum und die Wertigkeiten künstlerischer Leistungen schrittweise zu demontieren.

Alle Inhaber von Rechten an geistigem Eigentum, seien es Autoren oder Künstler,
seien es Verleger oder Verleiher, sollten den ihnen von „einem der wichtigsten Männer des Internet“ (so die FAZ) „im Namen der Göttin des Streits“ (so Müller-Maguhn) hingeworfenen Fehdehandschuh beherzt aufnehmen und sich nicht von dem obskuren Internet-Wahlverfahren und -ergebnis einlullen lassen. Andernfalls bildet sich Müller-Maguhn noch ein, er sei eine Art Schinderhannes oder Robin Hood des Internets.

Stefan Meuschel

 

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