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Kulturpolitik

Ruhrruinen-Festival

Die erste Ruhr-Triennale · Von Marieluise Jeitschko

Kultur an der Ruhr im Herbst 2002: an Opernhäusern und Theatern beginnt die Spielzeit mit vielen ansehnlichen bis aufregenden Premieren –- wie so oft in den letzten Jahren aber leider vor halbleeren Reihen und mit einer neuen Hiobsbotschaft: Zwischen fünf und fünfzig Prozent ihrer Etats sollen viele Häuser und Ensembles in den nächsten Jahren einsparen.

Die Konzertsaison wird mit einem Paukenschlag eröffnet: Dortmund hat ein neues Konzerthaus – nicht im edlen „Dortmunder Süden“, wie geplant, sondern im abrissreifen Puffviertel fünf Minuten zu Fuß vom Bahnhof. Intendant Ulrich Andreas Vogt wird zum „Helden“, weil er zum guten Ende brachte, was viele wollten, aber nie wirklich wussten, wie das noch klappen könnte in heutiger Zeit. Vogt, Ex-Opern-Sänger und von John Dew in der Bewerbung um die Opernintendanz ausgestochen, kennt sich hier aus. Seine Finanzierungsinitiativen brachten sieben Millionen und setzten das Signal, das zum Erfolg führte.

 
 

Spärlich besucht: „Don Giovanni“ in Recklinghausen.
Foto: Grüber

 

Zeitgleich (vom 31. August bis 13. Oktober): Testlauf für die Ruhr-Triennale – Vision einer neuen Identität für Nord-West-Deutschlands zerbrochenes Industrierevier durch ein internationales Theater- und Musikfestival auf Stahl- und Bergbau-Ruinen. Jahrelang haben betroffene Kommunen – insbesondere Essen, Duisburg, Hamm und Dortmund – mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW „Industriedenkmäler“ geschaffen und zu zeitgemäßen Kultur-Stätten umfunktioniert. Darauf will das Land nun aufbauen.
Mit 41 Millionen Euro für die ersten drei Jahre lockte der grüne NRW-Kulturminister Michael Vesper den Kulturmanagement-„Magier“ Gérard Mortier an. Der heute 59-jährige belgische Jurist, „Macher“ von Brüssels Opernhaus „Théâtre de la Monnaie“ und Salzburger Festspiel-Erneuerer, soll es richten. Nur: In Zeiten wie diesen träumt kaum einer mehr von neuer Kultur an der Ruhr. Sechs Kulturdezernenten gingen – offensichtlich auch unter Druck gesetzt von den Theaterintendanten – Ende der ersten Herbst-Triennale auf die Barrikaden, weil sie auch um ihre kommunalen Institutionen fürchten.

Mortier ließ aus Fabrikhallen auf Kohlehalden zwischen Hamm und Duisburg Gershwin-Improvisationen für Gitarre, Violine und Kontrabass, Mozarts „Requiem“ und Schönbergs „Jakobsleiter“ tönen, Euripides zwischen Schornsteinen und Kühltürmen in Szene setzen. Mikhail Baryshnikov tanzte in der Waschkaue der Essener Zeche Zollverein (dem fast schon gescheiterten „Choreografischen Zentrum NRW“). Und Messiaens „Quattuor pour le fin du temps“ – wie so vieles andere bei diesem ersten Ruhrruinen-Festivaltest aus anderen europäischen Festivalstädten in die Ruhrkultur-Landschaft geholt – wurde mit stehenden Ovationen bedacht. Das macht ebenso nachdenklich wie der spärlich besuchte „Don Giovanni“ im Gewerkschafts-Kulturpalast, dem Recklinghauser Festspielhaus, von Klaus Michael Grüber inszeniert und Hans Zender dirigiert – mit atemberaubend schönen, jungen Sänger-Darstellern.
Die Vorbehalte der ansässigen Bevölkerung erlebte Mortier sozusagen am eigenen Leib: nimmermüde wanderte er mit Journalisten über die 13 Spielstätten, traf sich mit Politikern, Künstlern und potenziellen Sponsoren, besuchte sechs Wochen lang allabendlich eine der 83 Veranstaltungen der ersten Ruhr-Triennale und fuhr sogar zweimal im Zug quer durchs Revier, um zu demonstrieren, dass sein neues Festival auch mit Bus und Bahn erreichbar sei.

Marieluise Jeitschko sprach mit Festival-Leiter Gérard Mortier:

Jeitschko: Ihre Bilanz?

Mortier: Ich spürte eine große Emotionalität, viel Intelligenz, hohes Bildungsniveau und ganz besonders eine unglaubliche kulturelle Neugier und Begeisterungsfähigkeit. Aber wir haben wohl zu sehr die oberste Bildungsschicht angesprochen. Deshalb verkaufte sich auch „Don Giovanni“ schlechter, als ich es erwartet habe.

Jeitschko: Als Leiter der Ruhr-Festspiele ist Frank Castorf engagiert. Die Sorge vieler Menschen, die hier leben, ist allerdings, diese traditionsreichen „Theater-Festspiele fürs Volk“ könnten von der Ruhr-Triennale geschluckt werden – ebenso das „Internationale Tanzfestival NRW“ (ITF), dem in dieser neben New York dichtesten Tanz-Region Pina Bausch wieder auf die Beine helfen soll.

Mortier: Keineswegs. Ich halte mich in Absprache mit Pina Bausch bei der Programmgestaltung der Ruhr-Triennale mit Tanzvorstellungen zurück – eben damit das ITF nicht gefährdet wird. Im Übrigen eröffnet ja Pina Bausch mit dem Tanztheater Wuppertal im Mai 2003 die Bochumer Jahrhunderthalle, diesen für mich wunderbarsten neuen Kultur-Standort dieser Region.

Jeitschko: Es werden aber schon jetzt Stimmen laut, die Zahl der Spielstätten müsse reduziert werden.

Mortier: Jeder dieser Orte hat seinen eigenen Charme. Mit genau den richtigen Programmen muss sich jeder entfalten und bewähren, um den Industrie-Arealen eine neue Identität zu geben. Ich kenne genügend Künstler.

Jeitschko: Sie kennen inzwischen aber auch den finanziellen Notstand der Region. Der zugesagte Triennale-Etat wird – wenn auch mit 300.000 Euro relativ moderat – gekürzt.
Mortier: Das Land hat uns großzügig unterstützt. Aber enttäuscht, ja eigentlich sogar richtig verärgert bin ich, dass uns die Großindustrie bisher völlig im Stich gelassen hat. Die haben ja überhaupt noch nicht kapiert, dass sich hier das größte Kulturereignis Europas anbahnt – und werben dabei doch immer mit der Kultur als Standortvorteil.

Jeitschko: Auch die Zuschauer stürmen nicht so herbei wie erwartet. 200.000 Karten wollten Sie 2004 verkaufen – nun ist maximal die Hälfte das angepeilte Ziel. Was wollen Sie als Kulturmanager bis 2004 erreichen?

Mortier: Ich bleibe dabei: In zwei Jahren sollen alle großen Festivalstädte – einschließlich Salzburg und Bayreuth – mit Neid auf diese Ruhr-Triennale blicken. Die Deutsche Bahn soll Sonderzüge zur Verfügung stellen, Busse und Shuttles müssen her. Und kein Mensch in der westlichen Welt, der gern ins Theater oder Konzert geht, soll fragen: Dortmund, Essen, Bochum, Duisburg: Wo liegt denn das?

 

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