Schneider: Nein, noch kaum. Das Interesse für Gesang kam erst später, während des Studiums. Da ich irgendwann wusste, dass ich nicht Orchestermusiker werden wollte, begann ich zunächst ein Jurastudium und genau in dem Moment, da die Musik nicht mehr so ein zentrales Thema war wie davor, erwachte eine ganz neue Begeisterung, diesmal aber ausschließlich für die sogenannte ernste Musik (ein schreckliches Wort) und da gab es dann auch die erste Berührung mit dem Chorsingen. Schon sehr bald ging ich wieder auf Hochschule und Konservatorium in Wien und studierte weiter Violine, auch Klavier und später Orchesterdirigieren. Das Jurastudium lief nur mehr nebenher, aber mit Müh und Not habe ich’s noch abgeschlossen. Ich glaube, ich habe keine Ahnung mehr davon. Knoll: Wie kamen Sie dazu, Chöre zu leiten? Schneider: An der Musikhochschule hatte ich Unterricht in Chorleitung, das hat mich vom ersten Moment an ungemein fasziniert und gereizt. Ich begann dann im Arnold Schönbergchor unter Erwin Ortner zu singen. Diese Zeit, die man im Chor beziehungsweise im Orchester verbringt, ist sehr wichtig, weil man erfährt, wie so ein Klangkörper von innen „funktioniert“. Außerdem finde ich, dass Chorsingen ungemein viel Spaß machen kann, und das versuche ich auch jetzt in meiner Arbeit zu vermitteln. Das Leiten der Chöre begann ich schrittweise mit Laien- und später mit Studentenchören, sozusagen von der Pike auf. Knoll: Wann kamen Sie zum ersten Mal mit der Arbeit im Theater in Berührung? Schneider: Es bildete sich in meiner Studienzeit in Wien gerade eine Art Off-Szene der Oper, die versuchte Low-Budget Produktionen auf die Beine zu stellen, hauptsächlich mit Stücken des 20. Jahrhunderts. Da war ich von Anfang an für die Chöre zuständig. Dann kam noch einmal ein „Ausritt“ in die Unterhaltungsmusik und ich dirigierte ein Jahr lang Musicals. Die Arbeit mit den Chören riss aber nicht mehr ab. Und dann wurde in der Wiener Staatsoper ein Assistent des Chordirektors gesucht, ich bewarb mich und wurde genommen und war dort die letzen vier Jahre lang engagiert, zuerst wie gesagt als Assistent, dann als stellvertretender Chordirektor. Knoll: Was hat Sie bewogen, von Wien nach Mannheim zu kommen? Schneider: Für mich bestand der Reiz einfach darin, gegenüber einer Position als Stellvertreter nunmehr einen Klangkörper eigenverantwortlich führen zu können, und ich habe diesen Schritt keine Sekunde bereut. Mannheim ist ein wunderbares Haus mit einem hervorragenden Chor und einem sehr breiten, interessanten Repertoire, derzeit vielleicht etwas zu breit. Knoll: Wie ist dieses Repertoire bewältigbar, wie sind Ihre ersten Eindrücke? Schneider: Gewisse Kompromisse muss man in einem Repertoirebetrieb immer eingehen, natürlich hat man oft nicht die Zeit zur Verfügung, die man sich wünschen würde um die Premieren wirklich gut geprobt herauszubringen und daneben das Repertoire und die Folgeaufführungen nicht zu vernachlässigen. Was den Chor betrifft, so würde ich sagen, dass in unserem Haus eine maßvolle Reduzierung des Spielplans nötig wäre, um an einer Verbesserung der Chorkultur zu arbeiten. Bei einem Chor geht das nun einmal nur mit Chorsaal- und schließlich auch ausreichenden Bühnenproben. Die Orchestermusiker sind meist froh, ein möglichst breites und abwechslungsreiches Repertoire zu spielen, sie müssen ihren Part aber auch nicht auswendig lernen. Dazu kommt der Umstand, dass Regisseure, aus welchen Gründen auch immer, oft nicht gewillt sind, auf die spezifischen musikalischen Erfordernisse des Chorgesangs einzugehen und szenische Lösungen zu finden, die auch musikalisch befriedigend realisierbar sind. Hier sehe ich eine wesentliche Aufgabe des Chorleiters, bereits in der Konzeptionsphase einer Inszenierung und natürlich besonders bei den Stellproben Einfluss zu nehmen. Auch Solisten lassen sich nicht beliebig auf oder hinter der Bühne herumjagen sondern müssen darauf achten, ihre Partie vor allem auch sängerisch sicher bewältigen zu können. Knoll: Wie stellt sich Ihnen die Situation des Nachwuchses für den Mannheimer Opernchor dar? Schneider: Zunächst muss ich dazu sagen, dass der Stellenplan vor einigen Jahren um fünf Positionen gekürzt wurde und uns diese Sänger heute wirklich fehlen. Zumindest ein hoher Tenor und ein tiefer Alt wären dringend nötig, aber das ist eine andere Sache. Bei Neubesetzungen ist es neben den stimmlichen Voraussetzungen vor allem entscheidend, dass der Sänger, der in den Chor geht, an dieser Tätigkeit auch wirklich Freude hat. Frustrierte Solisten haben in einem Opernchor eigentlich nichts verloren und die Herausforderung ist auch bei dieser Aufgabe eine völlig andere. Wir suchen Sänger, die genau die Position im Chor anstreben, und die positiven Auswirkungen dieser Arbeit auf ihr Privatleben, ihre Sicherheit und die Möglichkeiten, sich auch außerhalb der Chortätigkeit weiter als Sänger oder anderweitig zu entfalten, schätzen. Diese Positiva zu vermitteln, sollte bereits während der Ausbildung geschehen, das ist aber, wie wir ja wissen, selten der Fall. Statt dessen werden in jungen Sängern oft in unverantwortlicher Weise Hoffnungen geweckt, die sich einfach nicht realisieren. Ich bin aus meiner Erfahrung aber überzeugt, dass der Beruf des Chorsängers eine anspruchsvolle und erfüllende Arbeit darstellt, und einen vorrangigen Teil meiner Aufgabe sehe ich darin beizutragen, dass sich das so weit wie irgend möglich auch tatsächlich verwirklicht.
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