Aus Überzeugung hatte die „Herrin von Bayreuth“ nach dem gescheiterten
Feldherrnhallen-Putsch von 1923 Hitler und die nationalsozialistische Bewegung
kräftig gefördert; ohne Hitlers massive finanzielle Unterstützung
wären die Richard Wagner-Festspiele wahrscheinlich schon 1933 im wirtschaftlichen
Desaster untergegangen. Von 1923 bis 1940 standen sich „Winnie und Wolf“ auch
persönlich sehr nahe; zeitweilig spielte der charmante, faszinierende
Onkel Wolf in Wahnfried die Vaterrolle. Winifred Wagner als große, machtbewusste Natur, als Erbin der antisemitisch-deutschnationalen Gesinnung des „Bayreuther Kreises“, als in der Wolle gefärbte Nationalsozialistin, die vielen vom Nazi-Regime Verfolgten half, ohne daran zu denken, dass sie auf der Seite der Verfolger stand, als gesellschaftliche und finanzielle Nutznießerin der Diktatur, kommt bei Brigitte Hamann zu kurz. Die Autorin wird angesichts der unbestreitbaren Stärke ihrer Heldin schwach. Auch zu „Hitlers Bayreuth“ trägt sie wenig bei. Über den Privatmann Hitler und seinen politischen Aufstieg gibt es weit informativere Studien und kein Thema ist für sie, welchen Narren Adolf Hitler an Richard Wagner und seinem Werk gefressen hatte, als Bildungserlebnis und als Persönlichkeitsprojektion. Brigitte Hamann verkürzt Hitlers Beziehung zu Wagner auf das „Adabei-Sein-Dürfen“ in Bayreuth, im Dunstkreis des Meisters. Dennoch liest insbesondere der an der Geschichte der Bayreuther Festspiele Interessierte das Buch mit großem Gewinn: Viel Erhellendes zur Wiederaufnahme der Festspiele nach dem Ersten Weltkrieg, zur Usurpation Bayreuths durch die Nazis und zum Beginn „Neu-Bayreuths“ enthalten die reichhaltigen, größtenteils bislang unpublizierten Materialien. Die Biografien dreier Mitglieder der Wagner-Familie bedürfen aufgrund dieser Materialien der Korrektur. Siegfried Wagner, der Sohn Richards, war nicht der ein wenig weltferne, liberale Komponist und Dirigent, sondern teilte durchaus die nationalistische, auch judenfeindliche Position des „Bayreuther Kreises“, wie Brigitte Hamann belegen kann. Seine Biografie steht ohnehin noch aus, da sein Nachlass, ebenso wie der Winifreds, bisher unzugänglich ist. Und auch Friedelinds, 1944 im Londoner Exil geschriebene bitterböse Abrechnung „Nacht über Bayreuth“ nimmt es stellenweise, wie Hamann nachweist, mit der Wahrheit nicht genau. Erschreckend und zugleich Vieles erklärend ist, was Brigitte Hamann über die Jugendjahre Wieland Wagners zu Tage gefördert hat. Dass der 1917 geborene älteste Sohn Winifreds und Siegfrieds seine enge Beziehung zu Hitler persönlich nutzte, wann immer erforderlich, das war bekannt. Doch darüber, dass er schon 1943 versuchte, seine Mutter und deren Ex-Geliebten Heinz Tietjen von der Festspielleitung zu verdrängen, und dass er sich, um der Einberufung zur Wehrmacht zu entgehen, zum stellvertretenden zivilen Leiter der Konzentrationslager-Außenstelle Bayreuth ernennen ließ, berichtet sie erstmals. Ihr Buch ist eine Fundgrube für Details und ein Steinbruch für zu korrigierende, bisher beschönigende und für noch zu schreibende Biografien, zum Beispiel für eine Biografie Winifred Wagners.
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