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Kulturpolitik

Unersetzbare Ensemblepflege

Rückblick auf die Ära Klaus Pierwoß in Bremen · Von Christian Tepe

Ein Hauch von Wehmut liegt über jeder Premiere am Bremer Theater. Es ist nicht die vertraute Abschiedsstimmung, wie sie vor der Stabübergabe zwischen zwei Intendanten aufkommt. Der Direktionswechsel, die Fluktuation unter den Künstlern sind und bleiben der Nährboden des sich inhaltlich immer wieder neu gebärenden Theaters. Die Zäsur, die mit dem Ende der Ära Pierwoß in Bremen ansteht, ist jedoch von anderer, grundsätzlicher Art, sie greift die Voraussetzungen des Theatermachens überhaupt an.

Glück und Erkenntnis

Um das ganze Ausmaß des in Bremen drohenden Einschnitts ermessen zu können, muss man sich die singulären Leistungen des scheidenden Intendanten und ihre strukturelle Basis vor Augen halten. Es ist keineswegs zu hoch gegriffen, das von Klaus Pierwoß verantwortete Musiktheater als künstlerische Nachfolge und eigenständige Weiterführung des kurzen, aber bahnbrechenden Experiments Kroll-Oper im Berlin der späten 20er-Jahre zu beschreiben. Die umfassende Präsentation des modernen Opernschaffens, der intensive Kontakt mit zeitgenössischen Komponisten, die faszinierende Neuinterpretation der „ewigen“ Repertoireklassiker, auch die Heranziehung von Schauspielregisseuren, das sind die von Klaus Pierwoß besonders beachteten ästhetischen Maximen, so wie sie einst auch für die Arbeit von Otto Klemperer und seinem Dramaturgen Hans Curjel in Berlin prägend waren.

 
 

Sybille Specht, Jörn Schümann, Loren Lang und Armin Kolarczyk in „Pelléas und Mélisande“ von Claude Debussy. Foto: Jörg Landsberg

 

Wozu der Politik der Mut abhanden gekommen ist, wozu es den Wissenschaften an Herz fehlt, wozu es der kommerzialisierten Massenkultur an Fantasie und Wahrhaftigkeit gebricht, darum ging es in den letzten 13 Jahren in den Aufführungen der Bremer Oper: um das Ganze der Gesellschaft, um die Zukunft der Menschen, um die Schönheit eines Lebens ohne Herrschaft von Menschen über ihresgleichen. In diesem Sinne hat Klaus Pierwoß das Stadttheater und die Oper zu einem Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens und zu einer geistig-seelischen Heimat für die Menschen gemacht. Auf die kürzeste Formel gebracht: Glück und Erkenntnis sind die unwiderstehlichen Anziehungskräfte des Hauses am Goetheplatz und seiner externen Spielstätten wie der Concordia.

Ensembletheater

Die entscheidende, unersetzbare Grundlage dieses echten, dauerhaften Erfolgs ist die Ensemblepflege. Gerne wird immer wieder von einem Sprungbrett für junge Sänger gesprochen. Tatsächlich begegnet man überall, sei es in Wien, Bayreuth oder München, Sängern, deren Anfänge nach Bremen zurückreichen. Für die Theaterkultur genauso bedeutsam sind jedoch die Bindungskräfte, die das Ensemble nach innen und nach außen entstehen lässt. Nur aus der Intensität des permanenten gemeinsamen Probenprozesses heraus sind feinste seelische Nuancierungen und magische Wirkungen erzielbar, wie sie die Zuschauer bei Debussys „Pelléas und Mélisande“ in der Inszenierung von Konstanze Lauterbach ebenso verzaubern wie erschüttern. Durch die Verbundenheit des Publikums mit „seinen“ Sängern haben es auch neue und schwierige Werke leichter. Es lag zunächst an Sängern wie Karsten Küsters oder Armin Kolarczyk, wenn aus den Uraufführungen von Battistellis „Der Herbst des Patriarchen“ oder Kalitzkes „Inferno“ stark nachgefragte Saisonhöhepunkte wurden. Über die Singschauspieler führt für das Publikum der Weg hinein in die innere Gestalt der Werke. Die Symbiose von prägnanten künstlerischen Persönlichkeiten mit dem jeweiligen ästhetischen Gehalt der Gesangspartien und Opern ist das Geheimnis des Ensembletheaters. Nicht zu unterschätzen bleibt die simple Tatsache, dass die Ensemblemitglieder als Bürger mit den Theaterbesuchern in demselben Gemeinwesen leben, der Stadt zu einem Flair verhelfen, wie das bei immer nur für kurze Zeit eingeflogenen Stargästen kaum vorstellbar ist.

Unwiederbringlich

Mit dem Schicksal der Kroll-Oper teilt die Ära Pierwoß das Scheitern am kulturpolitischen Opportunismus der Theaterträger. Allerdings mit dem Unterschied, dass Pierwoß nicht nur 4, sondern volle 13 Jahre lang der Skrupellosigkeit, Dummheit und Ignoranz von amtlichen „Kulturexperten“ trotzte (siehe „Oper & Tanz“ 6/2005). Vor einiger Zeit ist Hans-Joachim Frey als ein Wunschkandidat der Politik zum neuen Intendanten designiert worden. Von einem Nachfolger für Klaus Pierwoß wagt man indes nicht zu sprechen. Gewiss wird Frey sein eigenes Profil entwickeln und dabei vielleicht auch Erfolge aufweisen können. Aber die strukturellen Voraussetzungen für ein attraktives, facettenreiches Musiktheater von uneingeschränkter künstlerischer Leistungskraft und von sympathisch in die Stadt hineinleuchtender Ausstrahlung sind mit der Verstümmelung des Ensembles auf einen Rumpfkörper und der Einführung eines variierten Stagione-Modells unwiederbringlich dahin.

Christian Tepe

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