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Tödliches Spiel

„Lucio Silla“ beim Mannheimer Mozartsommer · Von Rotraut Fischer

Ein fester Bestandteil des neuen Mannheimer Mozartsommers, des jüngsten Festivals in der Metropolregion Rhein-Neckar, sollen in den nächsten Jahren Mozarts frühe Opern sein. Den Anfang machten Adam Fischer und Günter Krämer mit „Lucio Silla“, dem nach „Mitridate“ zweiten Auftragswerk des 16-jährigen Komponisten für das Theater im damals habsburgischen Mailand.

 
Lothar Odinius (Silla), Cornelia Ptassek (Giunia), Ana Maria Labin (Celia). Foto: Hans-Jörg Michel
 

Lothar Odinius (Silla), Cornelia Ptassek (Giunia), Ana Maria Labin (Celia). Foto: Hans-Jörg Michel

 

Die Premiere des Mannheimer Nationaltheaters fand am 10. Juli im Rokokotheater des Schwetzinger Schlosses, der Sommerresidenz des Kurfürsten Carl Theodor, statt. Bereits das Wunderkind Mozart hatte hier mit seiner Schwester gastiert. Der intime Charakter des Theaters kam dem Aufführungskonzept entgegen, das Musik und Libretto „wörtlich“ nahm und die darin verborgenen Möglichkeiten dramatischer Gestaltung und psychologischer Feinzeichnung ausspielte. Zwar weist die Vorlage des Mailänder Theaterdichters Giovanni de Gamerra die seit Metastasio bekannte Struktur auf – Regent, zwei Liebespaare, Verknüpfung einer politischen mit einer bürgerlich-emotionalen Handlungsebene, in deren Wechselwirkungen der Herrscher zum guten Menschen wird –, doch liegt in der Entwicklung der Intrigen zugleich die Chance, die Personen in Krisen zu treiben und sie ihr Innerstes nach außen kehren zu lassen.

Den historischen Hintergrund der Handlung bilden die Kämpfe zwischen Marius und Sulla im Rom der Republik. Die Schwetzinger Inszenierung macht daraus die Auseinandersetzung zwischen zwei populistischen War Lords, die einen Bandenkrieg führen. Das Spiel wird eröffnet mit dem Mord an Marius auf der Straße, führt dann ins Leichenschauhaus, wo Marius‘ Tochter Giunia ihren Vater findet, aber auch den dort sich verbergenden Bräutigam Cecilio. Die Bühne ist sparsam ausstaffiert, zurückgenommen hinter die expressive, minutiös durchchoreografierte Personenregie, die mit vielfältigen Formzitaten arbeitet, von militärischen Mustern bis hin zu Popkultur und Körperskulptur.

Diese Mozartinszenierung ist auf Augenhöhe mit unserer Zeit, ohne in modische Beliebigkeit zu kippen. Die Geschichte ist nicht die eines durch Liebe und Treue gerührten und geläuterten Tyrannen wie etwa in Schillers „Bürgschaft“. Vielmehr tritt Silla als ein exzessiver Spieler mit wenig sublimer Triebstruktur auf, zeitgemäß ausgestattet mit einer Schläger- und Mörderbande und selbst ein Täter mit einem Gefühlscocktail aus Allmachtsphantasien und Leidenslust. Er beherrscht ein „Clockwork Orange“, ein tödliches Spiel. Das „gute“ Ende erscheint nicht als ein Triumph der Milde durch Affektkontrolle, sondern einfach als Lust an einem anderen Ausgang des Spiels.

Orchester und Sänger agierten in perfekter Übereinstimmung mit dieser Version. Im Fluss der Melodien wurde fragmentiert und in Porträtmedaillons, Stimmungsbildern und Actionclips beschleunigt, verlangsamt, ausgemalt, stimmlich moduliert. Dabei entstanden hinreißende Klangfarben, in scheinbar müheloser Leichtigkeit vom Orchester des Nationaltheaters hingezaubert. Adam Fischer und Günter Krämer wussten die Not unhandlicher Längen meisterhaft zu nutzen und die Tugend lyrischer bis delirierender Expressivität sowie die Schatten intensiver Gefühlslagen daraus zu machen. Regie und musikalische Gestaltung trieben die Seria-Typen über die schon bei Mozart markierte Grenze der Opernkonvention hinaus ins Charakterfach und verliehen selbst den routinehaft-mechanischen Tonschleifen gestische Plastizität.

Das junge Sängerteam agierte mit Enthusiasmus und Spielfreude. Als gewalttätiger, sado-masochistischer und exhibitionistischer Silla glänzte Lothar Odinius mit stimmlicher Präsenz und großer Wandlungsfähigkeit. Die von Silla begehrte Giunia sang Cornelia Ptassek mit klangschöner und modulationsreicher Sopranstimme; ihr Verlobter Cecilio wurde mit lyrischen wie expressiven Schattierungen von Marie-Belle Sandis gesungen; der herausragende Countertenor Jacek Laszczkowski machte den listenreichen Cinna glaubwürdig; Ana-Maria Labin gab Sillas opportunistische Schwester mit beachtlichem darstellerischen und sängerischen Temperament.

Im Hinblick auf die Festivalperspektive der Aufführung früher Mozartopern ist diese Inszenierung ein gewichtiger und diskussionswürdiger Vorschlag, gleich welcher „Fraktion“ der Mozartfreunde hinsichtlich des Frühwerks man letztlich angehört. Das Publikum jedenfalls war hingerissen. Das Festival, das die ehemalige Mozartwoche ablöste, hat sich ehrgeizige künstlerische Ziele gesetzt. Neben der Opernpremiere und Konzerten mit dem 1989 gegründeten Ensemble „Zefiro“ und dem Balthasar-Neumann-Ensemble gab es in diesem Jahr mehrere Mozartbearbeitungen: „Mozart im Park“, eine Openair-Veranstaltung mit dem Freyer-Ensemble; „Mozart alla turca“, eine Bearbeitung der „Entführung aus dem Serail“, mit einem Wechsel der Perspektiven; „Mozart Lieder Licht“, ein szenischer Liederabend mit Ulrike Mayer; „Die Zauberflöte für 20 Finger“ von Alexander Zemlinsky und Achim Freyer; und schließlich ein Abend mit Corinna Harfouch und der Mozartband unter dem Motto „Was ist dieser Klang, der dir Heimweh macht?“. Nicht vergessen sei auch das Stipendiatenprogramm, das interdisziplinäre Veranstaltungen für Studenten anbietet, die sich beruflich auf das Musiktheater hin orientieren.

Von Rotraut Fischer

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