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Anlauf zur Neupositionierung
„Samson et Dalila“ bei den Antikenfestspielen Trier · Von
Oliver Schwambach
Alles Konstantin oder was? Die noch bis 4. November laufende Schau
für den gro-ßen Kaiser hat vieles, was andere in Trier
auch gern hätten: Publikum in Massen und von weither, dazu
ein selten einstimmiger Feuilleton-Jubel-Chor. Da sinnt auch Gerhard
Weber, künstlerischer Leiter der Trierer Antikenfestspiele
und Intendant des dortigen Theaters: Was könnte die gefeierte
Kaiser-Expo meinem Festival nützen?
Tatsächlich sah die Lage der Antikenfestspiele vor ihrer zehnten
Auflage dieses Jahr wenig rosig aus. Von Heinz Lukas Kindermann,
Gerhard Webers Vorgänger in beiden Ämtern begründet,
sollte das Festival mal in die Bundesliga deutscher Freiluftspiele
vorstoßen, dorthin, wo sich etwa die Wormser Nibelungen-Festspiele
tummeln. Auch Weber glaubt an das ehrgeizige Ziel. Selbst wenn
derzeit außerhalb der Region Trier kaum einer nach dem Antikentheater
kräht. Auch die Zahlen sprechen eine harte Sprache. Von einst über
13.000 Besuchern 2003 sackte die Gästezahl im Jahr 2006 auf
6.000. Immerhin: Dieses Jahr schaffte man mit insgesamt 10.350
Zuschauern die Kehrtwende.
Größtes Manko des Festivals aber bleibt: Zur Marke
sind die Antikenfestspiele in zehn Jahren nicht geworden. Heinz
Lukas Kindermann gab noch die Losung aus: antike Mythen in antiken
Mauern. Leider verpflichtete er hierfür auch „Stars“,
die selbst schon reichlich antik waren. Und dass die Festspiele
von dem kleinen Trierer Drei-
spartentheater (gut zehn Millionen Euro Jahresetat) mitgestemmt
werden müssen, quasi als großes Spielzeitfinale, stellt
die Bühne vor erhebliche Belastungen. Mal abgesehen davon,
dass mit 900.000 Euro Festival-Etat kaum große Sprünge
zu machen sind. Weber arbeitet dennoch unermüdlich an der
Neupositionierung der Festspiele. Für ihn wurde es jetzt in
seinem dritten Festspieljahr auch höchste Zeit, ein erkennbares
Profil zu entwickeln – und nicht nur mehr Marketing-Mittel
zu fordern.
Ungewöhnliche Sichtweisen verspricht Weber denn jetzt: So
soll etwa 2008 Aktionskünstler H.A. Schult Verdis „Nabucco“ ausstatten.
Was auch erkennen lässt, dass Weber mit dem Begriff „Antike“ eher
leger umgeht. 2007 stand denn mit Camille Saint-Saëns‘ „Samson
et Dalila“ (im Schauspiel gab es „König Ödipus“)
ebenfalls ein nicht gerade antiker Originalstoff auf dem Programm.
Die neuen Sichtweisen deuten sich gleichfalls eher an, als dass
sie sich aufdrängten. Denn Weber verpflichtete für „Samson
et Dalila“ einen bewährten Fahrensmann als Regisseur.
Kurt Josef Schildknecht, den früheren, langjährigen Intendanten
des Saarländischen Staatstheaters und in dieser Funktion auch
lange Webers Chef (von 1991 bis 1998 war Weber als Oberspielleiter
des Schauspiels in Saarbrücken).
Allzu große Aktualisierung ist Schildknechts Sache jedenfalls
nicht. Dass Gaza den Schauplatz für Saint-Saëns‘ Oper
abgibt, in biblischen wie heutigen Zeiten ein Ort blutigster Konflikte,
rückt bei ihm in den Hintergrund. Weder wollte er eine Nahost-Oper
noch ein Sandalen-Drama inszenieren. Er erzählt, das allerdings
zeitlos gültig, von Flucht und Vertreibung. Und souverän
lässt Schildknecht den gewaltigen Raum des noch in weiten
Teilen aus der Römertagen erhaltenen Amphitheaters bespielen,
schafft zusammen mit seinem Ausstatter, dem renommierten Luxemburger
Architekten Francois Valentiny, Bilder, die die Dimensionen der
Arena ausschöpfen. Wobei Valentiny der Abstraktheit seiner
an Plastiken erinnernden Bauten klug fröhlich-farbintensive
Kostüme als Augenfutter entgegensetzt. Da sieht man geschickt
choreografierte Massen, der Feinschliff der Charaktere freilich
gerät selbst für eine Freiluftarena etwas grob.
Dafür betören Samson und Dalila – nicht nur im
schmachtenden Duett „Mon coeur s‘ouvre à ta
voix“ – mit höchster Innigkeit. John Uhlenhopp
ist ein Tenor mit beachtlichem Stimm-Volumen und großem Gestaltungskönnen.
Dubravka Musovic stellt sich als Mezzo von nobler Note und enormer
Durchschlagskraft vor. Bravo! Und ein Bravo auch an den großartigen
Chor, an das Orchestre Philharmonique du Luxembourg und seinen
Maestro Marc Soustrot. Der Klang geriet wunderbar licht und duftig – was
in einem Open-Air-Oval schon hohe Kunst ist.
Viel Beifall fand diese Produktion beim Publikum, doch zur wirklichen
Neupositionierung der Festspiele war es eher der Anlauf als schon
der große Sprung.
Oliver Schwambach
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