Die Premiere der Oper war späte Wiedergutmachung für die 1985 an der Raumfrage gescheiterte Uraufführung, Nachdem Konstantin von den Truppen seines verstorbenen Vaters im britischen York zum Kaiser ausgerufen worden war, sorgten die Scheidung von seiner ersten Frau und die Verbindung mit Fausta, der Tochter des in Rom residierenden Kaisers Maximian, für die nötige politische Legitimation. Doch 326 kam es am Kaiserhof zu einer Familientragödie. Konstantin ließ zuerst Crispus, seinen Sohn aus erster Ehe, vergiften und einige Zeit später Fausta beim Bad ersticken. Angeblich hatten die zwei eine Liebesaffäre, doch das kann auch ein Vorwand gewesen sein, um sie aus dem Weg zu schaffen. Heckmann und Martini bleiben bei der offiziellen Lesart und deuten sie idealistisch. Sie sehen den Monarchen gefangen zwischen der Liebe zu seiner ehebrüchigen Frau und der Staatsräson. Letztere wird durch die Kaiserinmutter Helena vertreten, die vehement gleiches Recht für alle Delinquenten fordert. Zunächst reflektieren die Figuren der Handlung (einschließlich des in Rückblende auftretenden Crispus) zusammen mit dem Chor Geschehenes und Künftiges. Dann wird Konstantins Ehefrau Fausta verurteilt, hingerichtet und von einem Fährmann in die Unterwelt geleitet. Den verzweifelten Kaiser tröstet der Kirchenvater Laktanz mit der Aussicht auf künftige christliche Barmherzigkeit, und der Chor besingt das aus Liebe erfolgte Selbstopfer. Inhaltlich ist das unbefriedigend, denn schon das heidnische Rom kannte die sprichwörtliche „kaiserliche Milde“, während sich das Christentum oft genug blutrünstig zeigen sollte. Und anstatt die Unwiderruflichkeit der Todesstrafe zu problematisieren, verwechseln Heinz Heckmann und Heiner Martini Fremdgehen mit Nächstenliebe. Eine intelligente Inszenierung allerdings könnte diese Widersprüche fruchtbar machen und zugleich einer interessanten Facette des Werkes nachgehen: der Überlagerung christlicher und heidnischer Bilder und Vorstellungen, wie sie im 4. Jahrhundert tatsächlich an der Tagesordnung war. Regisseur Hermann Keckeis und Bühnenbildner Karel Spanhak boten plumpe Personenführung und plakative Bebilderung über dem mit Vorhängen zugedeckten Orchestergraben. Angefangen von den wie Wagnersche Nibelungenzwerge unter den Abdeckungen hervorquellenden Bühnenarbeitern über die völlig verquere Stilisierung des heidnischen Fährmanns zum orthodoxen Juden bis hin zur Apotheose des Ehebruchs unter dem Zeichen des Kreuzes erlebte man eine Aneinanderreihung szenischer Peinlichkeiten. Der Chor war trotz seiner Schlüsselrolle von der Bühne verbannt. Sein Part kam aus dem Lautsprecher und verriet schlechte Vorbereitung: Unsauber und angestrengt wirkten vor allem die hohen Stimmen. Von den Solisten überzeugte nur Annette Johansson. Sie verlieh der Fausta einen Charme und eine Zerbrechlichkeit, die berührten. Das auf der Bühne sitzende Philharmonische Orchester allerdings brachte unter GMD István Dénes die Partitur sensibel und sauber zur Geltung. Einzig hier spürte man die atmosphärische Kraft von Heckmanns Musik, die erkennbar auf Breitenwirkung und Verständlichkeit zielt. Oft erinnert sie an Hindemiths oder Weills Stil der frühen 30er-Jahre. Nur dem Orchester gelang damit die Anknüpfung an das hohe Niveau, das das Trierer Ensemble zuvor bei „Andrea Chénier“ und „Wozzeck“ bewies. Schade um die verpasste Chance! Insgesamt rächte sich wohl die Halbherzigkeit, mit der diese Uraufführung angegangen wurde: Um Platz für die Antikenfestspiele zu machen, verschwand „Fausta“ schon nach der zweiten Aufführung wieder vom Spielplan. Dabei hat Saint-Saëns’ Oper „Samson und Delila“ mit der römischen Antike nichts zu tun. Ohne organisatorische und inhaltliche Vernetzung der Kulturangebote aber, wie sie etwa den Wormser Nibelungen-Festspielen gelingt, haben auch die Antikenfestspiele keine Zukunft. Andreas Hauff |
||||||||||||||||||||||||||
|
|