Katharina Wagners Neuinszenierung des „Rienzi“ für das Bremer Theater unternimmt es, in einem scharfkantigen Prisma all die genannten Faktoren zu brechen. Dadurch dass die Regisseurin die mangelnde Authentizität der Musik dieses Spektakelstücks dekonstruktivistisch beim Wort nimmt und offen auf der Bühne ausstellt, verwandelt sie eine kulinarische Ausstattungsoper in kritisches zeitgenössisches Musiktheater über Demagogie und Massenverdummung: „Rienzi zieht das Volk immer wieder durch Rhetorik auf seine Seite. Das Versprechen wird immer absurder und trotzdem wird es geglaubt“, erläutert sie ihren Ansatz. Die charakterliche Ambiguität der Titelgestalt als Freiheitsapostel, Revolutionär und Machtpolitiker stutzt sie auf blanken, menschenverachtenden Nihilismus zurück. Nach optischen Reminiszenzen an die berüchtigten Massenhypnotiseure der Geschichte sucht man in ihrer Inszenierung jedoch weitgehend vergeblich. Schließlich ist es heute die unaufhörliche Bearbeitung der Gehirne durch die Unterhaltungsindustrie, die die Menschen um ihren Verstand bringt. Also treibt der Volkstribun schon bald nach seiner „Machtergreifung“ in der Larve des smarten Entertainers sein böses Spiel mit der Menge, die sich auf einer die gesamte Bühnenbreite einnehmenden Showtreppe zu immer neuen Formationen gruppiert. Wer nicht einverstanden ist, wer nicht mitmachen will, der wird von Rienzi mit einer Pestizidkanone, die zugleich eine Mischung aus Schwert und Mikrofon darstellt, unschädlich gemacht. Die eigentlichen Strippenzieher, verkörpert in Kardinal Raimondo (finster-seriös: Franz Becker-Urban), halten sich dezent im Hintergrund. Auch wenn sich nicht jeder mit Katharina Wagners kühl-analytischem Zugriff auf das Stück, der gewollt outrierenden Gestikulation der Darsteller und der mutwillig das Auge verletzenden, grellen Abgegriffenheit ihrer Bildästhetik wird anfreunden wollen – Konsequenz und Innovation kann man ihrer Arbeit nicht absprechen. Nur ein einziges Mal durchbricht sie ihren ironisch-distanzierten Erzählmodus für eine unter die Haut fahrende surreale Sequenz, wenn nämlich die Mütter für ihre von Rienzi abermals zum Kampf gegen die Aristokraten aufgestachelten Söhne beten und dabei aus den Treppenabsätzen in wahren Sturzbächen das Blut hervorströmt, so dass Rienzi, der Volkstribun, darin ein Blutbad nehmen kann, bis schließlich die Toten selbst als gesichtslose Lemuren zurückkehren. In einem eigenartigen Kontrast zu dem mit dem auftrumpfenden Impetus der Oper selbstbewusst spielenden Regieansatz steht die musikalische Interpretation. Wohl aus dem Bestreben heraus, jeglichen waffenklirrenden Lärm zu unterdrücken, lassen die Bremer Philharmoniker unter der Leitung von Christoph Ulrich Meier schon die Ouvertüre allzu matt und abgedämpft erklingen. Bei allem Feinsinn und Nuancenreichtum schleichen sich immer wieder Unkonzentriertheiten ein. Meiers Dirigat bleibt an diesem Abend oft energie- und spannungsarm, es fehlt der Musik die Plastizität. Mark Duffin als Rienzi ist nicht der Vokalrhetoriker, wie ihn die szenische Deutung verlangt hätte. Die bemühte Vitalität seines Tenors bleibt im Ausdruck zu pauschal – darüber mag auch die expressive Körpersprache Duffins nicht hinwegzutäuschen. Tamara Klivadenkos Adriano offenbart bei aller stimmlichen Flexibilität Defizite in der Phonetik und einige Schärfen in der Höhe. Aufhorchen lässt der warme, auch noch im hochdramatischen Aplomb tragfähige, ausdrucksvolle Sopran von Patricia Andress als Irene. Die Chöre (Tarmo Vaask) überzeugen durch Volumen und Elastizität und lassen es sich nicht nehmen, aus dem enorm wirkungsvollen Chorpart das musikalischen Glanzlicht des Abends zu machen. Besondere Hervorhebung verdient die engagierte darstellerische Leistung der Chöre. Auch sie vermag indes nichts daran zu ändern, dass diese Produktion den Nachweis der Repertoiretauglichkeit von „Rienzi“ schuldig geblieben ist. Christian Tepe |
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