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Portrait

Kunst geht nicht ohne Risiko

Der neue Intendant der Münchner Staatsoper, Nikolaus Bachler

Nach einem durchaus erfolgreichen Barock-Boom, nach einer gewissen Dominanz englischer Vorlieben, nach einer künstlerisch durchwachsenen und einer betriebswirtschaftlich fulminanten Bilanz des Vorgängers Sir Peter Jonas kommt der Bayerischen Staatsoper, einer durchaus älteren Tradition folgend, eine neue südliche Komponente ins Haus. Nikolaus Bachler hat gerade mit Macbeth in München seine erste Spielzeit eröffnet. Mit ihm sprach für „Oper&Tanz“ Wolf Loeckle.

O&T: Kommt nach diesem Barock-Boom jetzt Verdi-Freude auf?
Nikolaus Bachler: Na ja, ich hoffe, es kommt Freude auf Oper und Theater auf. Ich bin ja in diesen Breitengraden geboren und kenne dieses Südliche, dieses Mediterrane, dieses Katholische – ich könnte jetzt lauter Attribute aufzählen, die alle charakteristisch hierfür sind und die sehr viel mit Oper zu tun haben. Ich habe das Gefühl, dass hier ein Biotop ist, in dem nicht umsonst viele dieser Werke entstanden sind und in dem es besonders lohnend ist, sich mit diesen Werken auseinander zu setzen. Unser Spielplan spiegelt dieses mediterrane Lebensgefühl wider. Er soll einerseits mit den Opern Wagners, Verdis, Strauss’ und Mozarts die Tradition hier bewusst machen und andererseits durch neue Interpretationen zeigen, was uns heute an diesen Werken interessiert. Das ist eigentlich das erste Ziel. Und dann sehe ich einen Reiz darin, dass eine Stadt wie München in einem Opernhaus, das eigentlich „exaggerating“ für sie und ein schier überdimensionales Symbol ist, einen Sinn finden und haben muss. Dieser Sinn kann nur darin bestehen, eine Ausstrahlung zu erzeugen und sich dadurch mit der Welt zu vernetzten. Ich glaube, es gibt dafür keinen schöneren, keinen richtigeren und keinen leichteren Weg als über die Musik. Sie brauchen keine andere Sprache als die Musik.

 
Intendant an der Bayerischen Staatsoper: Nikolaus Bachler. Foto: Ch. Kaufmann
 

Intendant an der Bayerischen Staatsoper: Nikolaus Bachler. Foto: Ch. Kaufmann

 

O&T: Es gibt eine wunderbare Publikation der Bayerischen Staatsoper mit dem wunderschönen Titel „Die Macht der Gefühle – 350 Jahre Oper in München“. Welche Rolle spielt aus ihrer Sicht die Komponente Gefühl in dem Verbund von Musik-Intellekt-Analyse.
Bachler: Ich glaube, dass Emotion für die Oper die entscheidende Basis ist. Und es geht in allererster Linie darum, aus diesen Werken, egal ob alte oder neue, so viel Emotion wie möglich herauszuholen. Besonders heute. Wir leben in einer Zeit, in der die Gefühlsäußerungen eher in den Hintergrund und das Funktionale eher in den Vordergrund treten. Daraus entstehen einerseits ein unglaubliches Bedürfnis und andererseits auch eine starke Verpflichtung, sich darum zu kümmern. Die Emotion, das Gefühl, macht den Menschen erst zum Menschen und nicht das Funktionale. Auch für meine persönliche Biographie, die sich immer zwischen Theater und Oper hin und herbewegte, ist das natürlich ein ganz besonderes Zugangsventil. Denn das Schauspiel geht, wenn es gut ist, über den Kopf ins Herz und die Oper geht, wenn sie gut ist, über das Herz in den Kopf. Das macht Emotionalität zum zentralen Element überhaupt.

Geschichten erzählen

 
Impressionen aus „Macbeth“ an der Bayerischen Staatsoper. Oben: Nadja Michael als Lady Macbeth; unten: Lucic als Macbeth, Dimitri Pittas als Macduff. Fotos: Wilfried Hösl
 

Impressionen aus „Macbeth“ an der Bayerischen Staatsoper. Oben: Nadja Michael als Lady Macbeth; unten: Lucic als Macbeth, Dimitri Pittas als Macduff. Fotos: Wilfried Hösl

 

O&T: Schlagworte der letzten Jahrzehnte handeln weniger von Oper als vielmehr von Musiktheater, von Regietheater, vom Andocken antiker oder historischer Ereignisse ans aktuelle politische Geschehen – der Manager mit dem Aktenkoffer steht Pate. Oper changiert zwischen diesen Begriffen. Sie haben mit Ihren ersten personellen, künstlerischen, menschlichen Entscheidungen eine Signalwirkung ausgesendet. Wie soll sich das Haus in ein drittes Jahrtausend hinein entwickeln vor dem Hintergrund von Kapitalismuskrise, nachwachsender Generation, politischer Vernetzung?
Bachler: Ich glaube einerseits durch Emotionalität und andererseits unbedingt durch die Notwendigkeit, Geschichten zu erzählen. Oper darf nicht Gefahr laufen, ein Repräsentationsmedium zu sein, ein angenehmes Ablenkungsmedium. Oper muss sich ganz bewusst einmischen in den Alltag der Menschen. Das heißt, sie muss versuchen, durch die Musik, durch den Stoff dem Menschen etwas zu erzählen, ihn zu erregen, ihn zu erreichen. Doch generell besteht ja für die Oper die Gefahr einer gegenläufigen Tendenz. Sie befindet sich in einer schwierigeren Situation. Man neigt in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten immer dazu, zum Dienstleistungsunternehmen zu werden. Das muss vielleicht auch so sein, denn sonst überleben wir nicht. Ich möchte jetzt niemandem einen Vorwurf machen. Aber in Amerika oder in Italien, da geht man überhaupt kein Risiko mehr ein. Nur: Kunst geht nicht ohne Risiko. Kunst funktioniert nicht ohne den Versuch, sich zu erweitern und darüber hinaus zu gehen und ohne das Scheitern zu implizieren. Und ich glaube, dass wir in Deutschland in der guten Lage sind und seit dem Zweiten Weltkrieg immer waren, hier eine gewisse Vorreiterrolle zu spielen. Man kann ganz einfach sagen, dass alle Entwicklungen, die hier gemacht werden, zehn, zwanzig Jahre später nach Amerika, nach England, nach Italien kommen. Das muss man wissen und dieses Wissen muss man verstärken. München spielt da sogar eine Sonderrolle.
Die Bayerische Staatsoper ist ein großes internationales Haus und kann und müsste diese Entwicklungen auf höchstem musikalischem Niveau, auf höchstem sängerischem Niveau, auf höchstem inszenatorischem Niveau fortführen. Wir können hier beweisen, dass das geht. Wir wollen ja nicht wie ein kleineres Theater interessantes Theater als Oper machen oder gar ein konventionelles Konzert in Kostüm und Maske, wie ich das immer nenne und was ja teilweise in internationalen großen Häusern der Fall ist. Wir wollen zeigen, dass es in der Oper durchaus möglich ist, mit den ersten Sängern auch eine Geschichte zu erzählen.

Ziel Big Number One

O&T: Es gibt den Spruch darüber, was Oper kosten darf. Der lässt sich fein paraphrasieren dahingehend, dass gefragt wird, was muss uns Oper denn kosten. Ist Oper purer Luxus?
Bachler: Oper ist sicher kein Luxus. Nur, Oper ist teuer. Oper ist nicht deshalb die teuerste der Künste, weil man einfach viel Geld dafür ausgibt. Natürlich kostet das einzelne Bild, das einzelne Buch einen Bruchteil davon. Die Ursache liegt in der Struktur der Oper, weil so viele Menschen damit zu tun haben. Oper ist von der Masse gemacht, das fängt beim Orchester an, geht über den Chor bis hin zu allen anderen technischen Gegebenheiten und deswegen ist es teuer. Oper ist genauso wenig Luxus wie ein Buch oder ein Bild kein Luxus sind.
O&T: Wo sehen Sie München, wo möchten Sie München in einigen Jahren sehen.
Bachler: Ich möchte München unter den big five oder big eight, oder wie viele da auch immer sind, sehen. Es müssen ja nicht immer nur Großmetropolen sein. Es gilt da schon, den Stellenwert aus der Geschichte heraus zu untersuchen. Warum hat die Scala welchen Stellenwert oder warum ist Covent Garden so wie es ist. Und was ist mit der Wiener Staatsoper? Das hat alles viel mit der jeweiligen Geschichte zu tun. Natürlich soll und muss München in diesem Kontext eine wesentliche Rolle spielen. Ist doch die Bayerische Staatsoper das einzige deutsche Haus, das sich diesen Stellenwert leisten kann. Aber ich möchte schon auch, dass München eine BIG NUMBER ONE ist im Sinne des Musiktheaters. Dass es hier einen Arbeitsgeist und einen künstlerischen Ansatz gibt, der in den anderen großen Häusern eigentlich nicht stattfindet.
Denn die Überdimensioniertheit innerhalb einer relativ kleinen Stadt wie München birgt einen unglaublichen Vorteil. So entsteht eine Arbeitsatmosphäre, das Persönliche, das so unheimlich wichtig ist für eine künstlerische Theaterarbeit. Das ist hier nicht eine so anonyme große Fabrik wie die Bastille-Oper in Paris, wo man sagt, es sei in der Kälte schon mal grundsätzlich schwieriger zu arbeiten.
Durch diese vielen Vorteile könnte die Bayerische Staatsoper in dieser Hinsicht auch eine „Big Number One“ sein. Wobei „Number One“ jetzt nicht im olympischen Sinn den Ersten auf dem Stockerl meint, sondern den Ersten in den Disziplinen Eigenständigkeit und Persönlichkeit.

O&T: Vielen Dank für das Gespräch.

Wolf Loeckle

 

 

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