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Portrait

Das Geheimnis bewahren

Ioan Holender über die Wiener Staatsoper für Kinder · Von Christian Tepe

Unübersehbar für alle Passanten erhebt sich seit 1999 das Kinderopernzelt auf der Dachterrasse der Wiener Staatsoper und kündet so allein schon visuell von dem Rang, den die Oper für junge Menschen im altehrwürdigen Haus am Ring innehat. Auch durch die Entscheidung, im Kinderopernzelt die erste Sängerriege des Instituts auftreten zu lassen, hat Direktor Ioan Holender deutlich gemacht, dass die Kinder-oper kein Musiktheater im künstlerischen Kleinformat darstellt. Während das Repertoire der großen Bühne fest im 19. Jahrhundert verankert ist, spielt man im Zelt mit seinen 150 Plätzen vornehmlich zeitgenössische Komponisten. Die Strahlkraft des Wiener Beispiels hat den Unternehmungsgeist an so manchem deutschen Theater beflügelt, wie das vor kurzem in Dortmund eröffnete Opernhaus für Kinder zeigt (siehe O&T 3/2008). Mit Ioan Holender sprach Christian Tepe für „Oper&Tanz“ über die Besonderheiten der Kinderoper in Wien.

Oper&Tanz: Herr Direktor Holender, wie kamen Sie seinerzeit auf die unkonventionelle Idee, die neue Kinderoper auf dem Dach der Staatsoper zu exponieren?
Ioan Holender: Auf den Gedanken hat mich die Oper Köln gebracht: Dort habe ich das ins Foyer eingebaute Yakult-Zelt gesehen. Das geht hier nicht, weil wir nirgends diese Höhe haben. Und so kam die Idee, auf der Terrasse dieses Zelt zu bauen. Das hat natürlich sehr viele Gegenstimmen gebracht. Sie wissen ja, es gibt immer eine Skepsis bei neuen Dingen, in Wien ganz besonders. Die größten Proteste kamen von dem inzwischen verstorbenen Marcel Prawy, der voller Empörung gesagt hat, dass ich die Fassade, das Erscheinungsbild der Staatsoper nach 140 Jahren verändere. Das habe ich auch getan. Das Denkmalamt hat mir das ungern, aber dann doch zugelassen, weil ich keinen anderen Raum in der Oper gefunden habe.

 
Ioan Holender. Foto: Florian Lechner
 

Ioan Holender. Foto: Florian Lechner

 

O&T: Was bedeutet den Kindern ihr eigener Musiktheaterraum?
Holender: Wir haben auch Kinderermäßigungen für den großen Saal. Aber dort werden sich die Kinder immer als Störenfriede fühlen, weil sie das auch sind. Dort dominieren die Erwachsenen. Je größer der Saal, um so kleiner wird das Kind und um so ängstlicher. Und wenn es da hustet oder laut lacht, sagen die Wiener gleich: „Pst! Halt doch den Mund! Benimm dich anständig.“ Im Zelt sind die Kinder zuhause. Die Kinder kennen sich, sie sehen sich, sie winken sich zu. Es ist ihr eigenes Theater. Das ist ganz wichtig.

O&T: Welche künstlerischen Ziele haben Sie mit der Kinderoper verfolgt?
Holender: In erster Linie wollte ich Opern spielen, die von Anfang an für Kinder komponiert und gedacht sind. Also nicht Bearbeitungen von großen Opernwerken à la „Zauberflöte“ oder Stücke wie „Hänsel und Gretel“, von denen wir meinen, dass sie Kinderopern wären – und die es nicht sind.

Oper für Kinder aus Wien

O&T: So entstand ein Spielplan mit eindeutiger Präferenz für Werke lebender Komponisten.
Holender: Wir spielen oben nur zeitgenössische Musik. Wir haben zwei Ausnahmen gemacht, darunter „Bastien und Bastienne“ im Mozartjahr. Das war auch wirklich die schlechteste und erfolgloseste Produktion, weil es einfach keine gute Geschichte und auch eine ziemlich fade Musik ist, mag sie auch von Mozart sein. Sonst nur Uraufführungen, Auftragswerke, Musik der Gegenwart, weil die Kinder ganz offen sind, die haben noch keine Hörgewohnheiten. Das Zeitgenössische kommt ihnen nicht zeitgenössisch vor, sondern sie nehmen es eins zu eins, wie es ist; es interessiert oder es interessiert nicht. Da können Sie nicht sagen, Verdi geht leichter ins Ohr als Hiller. Das stimmt nicht, sofern das Ohr noch nicht verdorben ist, wie bei uns.

O&T: Worauf kommt es bei der Auswahl der Stücke an?
Holender: Ich spiele Kinderoper für Wiener Kinder, nicht für die Kinder aus der ganzen Welt. Dementsprechend sind auch die Thematiken auszusuchen. Ich bekenne mich zu der Lokalität des Interesses. Für meine letzte Spielzeit 2010 habe ich einen Kompositionsauftrag für die Kinderoper vergeben. Das ist aber nicht so medial aufgezogen mit einem Wettbewerb der Komponisten und mit einer Kommission. Da schreiben mir 50 Leute eine Oper, die sich dann keiner anschaut. Ich weiß für mich, was ich anstrebe. Der Komponist sollte im deutschsprachigen Europa wirken, und den habe ich mir ausgewählt. „Aber das Libretto“, habe ich ihm gesagt, „kann ich Ihnen nicht freigeben. Ich möchte gerne, dass das ein Libretto ist, das die Kinder kennen und mögen“. Wenn die Geschichte zu kompliziert ist, wird die Oper kein Erfolg sein. Wir sind jetzt bei „Pünktchen und Anton“ gelandet. Es hat sich ja nicht sehr viel geändert in der Kinderliteratur – ich spreche von der Literatur, die die Kinder wirklich lesen.

Einfach Gefühle vermitteln

 
Sophie Marilley, Teodora Gheorghiu, Zoryana Kushpler in „Wagners Nibelungenring für Kinder“. Foto: Wiener Staatsopern GmbH, Axel Zeininger
 

Sophie Marilley, Teodora Gheorghiu, Zoryana Kushpler in „Wagners Nibelungenring für Kinder“. Foto: Wiener Staatsopern GmbH, Axel Zeininger

 

O&T: Sie haben die Losung „Maximale Qualität für die Kinderoper“ ausgegeben. Deshalb waren und sind im Zelt Solisten wie Heinz Zednik, Wolfgang Bankl, Ildikó Raimondi oder Ileana Tonca zu hören. Welche besonderen Befähigungen brauchen die Sängerdarsteller für dieses Genre?
Holender: Genau dieselben, die sie für die Opernarbeit mit Erwachsenen brauchen. Da gibt es überhaupt keinen Unterschied. Ich suche nicht irgendwelche populären Kasper, sondern Sänger mit Stimme, die auch eine Kommunikationsgabe haben – durch ihre Darstellung und durch die Art und Weise, wie sie ihre Stimme einsetzen und benützen. So sollte es auch auf der großen Bühne sein. Inzwischen weiß man von der Qualität dieses Unternehmens. Natürlich ist es sehr gut besucht, aber das allein genügt heute bei Kindern nicht mehr. Sehr gut besucht sind nahezu alle Kinderveranstaltungen, weil es allgemein zu wenige gibt.

O&T: Haben Sie Erfahrungen mit der aktiven Einbindung von Kindern in den Produktionsprozess gemacht?
Holender: Nein. Das Geheimnis des Entstehens einer Oper, das Geheimnis, was hinter dem Vorhang ist, sollte bewahrt bleiben. Wissen Sie, wir meinen immer, wenn wir kundgeben, wie das Kunstwerk entsteht, es dadurch dem Publikum – ob Kinder oder Erwachsene – näher zu bringen und das Interesse an ihm zu erhöhen. Ich glaube das nicht. Wie wir das machen, ist nicht Sache des Publikums, und da zähle ich jetzt die Kinder durchaus dazu. Die wollen, dass man ihnen Gefühle vermittelt: lustige, fröhliche, traurige, dass Neugierde geweckt wird, Freude herrscht. Eigentlich wissen sie gar nicht, warum es ihnen gefallen hat. Wenn sie es dann nur den anderen Kindern, den Eltern, den Tanten weitererzählen: „Ich war in der Oper beim ‚35.Mai’. Hast du das gesehen? Nein? Aber das musst du dir anschauen. Das ist ganz toll.“

O&T: Michael Ende hat einmal ganz in Ihrem Sinne gesagt: „Der ideale Theaterbesucher will sich einlassen auf die Verzauberung der Bühne.“ Genau dieser Unmittelbarkeit, dieser natürlichen Herzenseinstellung begegnen wir bei den Kindern – übrigens auch dann, wenn sie spontane Missbilligung äußern. Können wir Erwachsene, die wir oft starr an bestimmten Sehkonventionen festhalten oder aber durch einen zu analytischen Blick von der mitschwingenden Teilnahme am Bühnengeschehen abgeschnitten sind, können wir Erwachsene uns durch das nicht geschiente Rezeptionsverhalten der Kinder wieder eine ganz neue Erlebnisweise der Oper zu eigen machen?
Holender: Wenn wir bereit sind, wofür wir im Allgemeinen leider nicht bereit sind, von Kindern zu lernen, dann sehe ich eine Chance für das, was Sie gesagt haben. Da wir aber gewöhnlich nicht offen genug sind, um ehrlichen Kinderausdruck gutzuheißen und zu überlegen, ob darin ein Prüfstein für unsere Denkweise liegt, bin ich da nicht sehr optimistisch. Aber es wäre schön, wenn es so wäre.

O&T: Wie versuchen Sie die Neigung zur Oper bei den jungen Menschen wach zu halten, die der Kinderoper allmählich entwachsen?
Holender: Das ist viel schwieriger. Man kann nicht früh genug ansetzen. Die Kinderoper ist für die Sechs- bis Zwölfjährigen. Die werden auch 14 und 17 und sind dann schon vorinteressiert, also nicht mehr ganz grün. Zudem zeigen wir den Kindern immer vor der Vorstellung – der Eingang zur Kinderoper ist ja oben auf der Galerie – den großen Zuschauerraum, der von oben noch viel größer ausschaut, als er ist. Und dann sagen sie: „Hui, was ist da?“ Hierauf antwortet man ihnen: „Wenn ihr in drei Jahren wieder einmal herkommt, da werdet ihr schon sehen, was da ist.“ Dieser Kern der Neugierde sollte bleiben: „Ich möchte einmal sehen, was die da im Großen Haus machen.“ Das funktioniert ganz gut.

Es kostet ja nichts

O&T: Blicken wir noch auf die Finanzierung der Kinderoper. In der Startphase hat sich hier ja mobilkom austria als Sponsor sehr engagiert.
Holender: Zur Entstehung der Kinderoper habe ich damals nicht ganz zwei Millionen D-Mark gebraucht. Und da habe ich den damaligen Generaldirektor dieser Firma, der sehr positiv der Oper gegenüberstand, interessieren können. Der hat immer gefragt: „Und das wollen Sie am Dach der Oper bauen? Kriegen Sie denn die Genehmigungen?“ Als es dann gelungen ist, hat er mir zugestanden, dass er eigentlich zugesagt hatte, weil er eh glaubte, das kommt nicht zustande, da die Behörden das sowieso nicht zulassen werden. Das war die einzige große Investition, die ich nicht aus dem Budget zahlen konnte. – Schauen Sie, es kostet ja nichts. Die Sänger wirken innerhalb ihrer Verträge mit. Dem Bühnenorchester habe ich in den Kollektivvertrag geschrieben, dass es für die Kinder-oper zu spielen habe. Regisseure werden bezahlt, aber absolut bescheiden. Und die Produktionskosten sind nicht groß. Wir tun ja immer so: Zuerst brauchen wir Geld, im Theater, immer viel Geld, obwohl wir gar nicht wissen, was wir damit machen. Meiner Meinung nach haben viele viel zu viel Geld und geben das Geld aus für Dinge, wofür sie es nicht ausgeben sollten.

O&T: Möchten Sie Ihren Nachfolgern etwas mit auf den Weg geben, wenn es um die Pflege der Kinderoper geht?
Holender: Ich gehe davon aus, dass die künftigen Direktoren genug Sensibilität und Wissen haben werden, um zu erkennen, was hier wichtig ist und was man weitermachen soll.

 

 

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