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Portrait

Mit neuen Ideen der Krise begegnen

Musiktheater in den USA am Beispiel der Met · Von Joachim Gerth

Die Finanzkrise und das Vorzeigeopernhaus der USA, die Met in New York – es scheint, als gebe es da keinen Zusammenhang. Ausverkaufte Vorstellungen, gute und teure Sängerinnen und Sänger, herausragende Dirigenten und exzellente Orchesterleistungen lassen darauf schließen, dass die finanziellen Rahmenbedingungen an diesem führenden Opernhaus stabil sind. Über die Höhe der öffentlichen Mittel, die die Met erhält, schweigen sich die Verantwortlichen – auch auf mehrfache Nachfrage – allerdings aus. Joachim Gerth hat sich in New York über aktuelle Inszenierungen, die neuen medialen Vermittlungsformen und das Finanzierungsmodell der Met durch Sponsoren informiert.

 
„Hoffmanns Erzählungen“ – weltweit übertragen. Joseph Calleja als Hoffmann mit dem Chor der Met. Foto: Ken Howard/Metropolitan Opera
 

„Hoffmanns Erzählungen“ – weltweit übertragen. Joseph Calleja als Hoffmann mit dem Chor der Met. Foto: Ken Howard/Metropolitan Opera

 

Peter Gelb, der Intendant der Met, hat das Ziel, eine jüngere Generation an das Genre Oper heranzuführen und zu regelmäßigen Opernbesuchern zu machen. Er „inszeniert“ die Premieren als Events mit Star-Gästen wie Martha Stewart, Billy Joel, Ed Norton, Diane von Fürstenberg oder der legendären Licia Albanese. Das Repertoire wurde durch eine Reihe interessanter moderner Stücke in der Inszenierung von neuen kreativen Regisseuren erweitert. Dazu zählt etwa das Engagement von Broadway-Produzenten wie Jack O’Brien und Bartlett Sher in aktuelleren Produktionen wie „Il Tabarro“ oder „Gianni Schicchi“ und „Hoffmanns Erzählungen“.

In den USA sind Koproduktionen mit anderen Opernhäusern üblich. Neben Eigenproduktionen bietet die Met also Koproduktionen zum Beispiel mit der Wiener Staatsoper, mit der Oper Aix-en-Provence oder der Amsterdamer Oper und der Mailänder Scala an. Daneben gibt es Produktionen, die von anderen Häusern ausgeliehen werden.

Met – Opernaufführungen in HD

Medien spielen eine bedeutende Rolle in Gelbs Plan, neue Zuschauerschichten anzuziehen. Seit er die künstlerischen Geschicke des New Yorker Opernhauses lenkt, hat er ein neues Projekt entwickelt, das die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung nutzt. Weltweit werden in Kinos Opernproduktionen gezeigt, live und in hochauflösender Qualität – auch in Deutschland. So präsentiert die Met in der Saison 2009/2010 zum Beispiel Publikumsrenner wie „Hoffmanns Erzählungen“ oder „Carmen“. Zugang erhält man über ein Abonnement, das mindestens 125 Dollar kostet. Wer 200 Dollar oder mehr zahlt, erhält zusätzlich eine DVD aus der neuen HD-Produktionsserie. Auf jeden Fall ist der Abonnent ein Jahr lang Bezieher des „Opera News Magazine“ und kann an besonderen Führungen in der Met und an Einführungsvorträgen teilnehmen.

 
„Elektra“ mit Susan Bullock in der Titelrolle. Foto: Marty Sohl/Metropolitan Opera
 

„Elektra“ mit Susan Bullock in der Titelrolle. Foto: Marty Sohl/Metropolitan Opera

 

Die Gewerkschaften im Haus, die jeder Sonderaktivität ihre Zustimmung geben müssen, waren mit dieser besonderen medialen Aktivität einverstanden. Die Gewerkschaftsmitglieder werden am Ende der Saison nach einem festgelegten Schlüssel am Profit dieser Aktivitäten beteiligt. Dies gilt im Übrigen für alle Radio- und Fernsehaktivitäten der Met.

„Live“ ist in diesem Zusammenhang tatsächlich live. Das bedeutet, dass das Bühnengeschehen mit einer Vielzahl von Kameras – für die Zuschauer weitgehend verdeckt – gefilmt und übertragen wird. Finanziert wird diese HD-Präsenz zu 50 Prozent durch die Abonnenten und Kinobesucher. Die zweite Hälfte tragen eine Stiftung und ein Unternehmen, die Bloomberg Company. Die HD-Produktionen haben weltweit für einen Anstieg der Rezipienten gesorgt: In 44 Ländern haben zirka 2 Millionen Zuschauer auf 1.000 Leinwänden Met-Produktionen angeschaut.

Das HD-Projekt soll auch dazu dienen, junge Menschen zu erreichen. Aus diesem Grund wird es ausgewählten Schulen in 18 Städten der USA angeboten, die den Opernabend entweder in ihrer Schule verfolgen können oder aber Zugang zum nächstgelegenen Kino haben. Dieses Programm ist für die Schüler kostenlos und wird ebenfalls gesponsert. Begleitet wird die Aktivität durch ausführliche, schriftliche Unterrichtsmaterialien. Mit diesem Modell beschreitet die Met innovative Wege, die auch hierzulande für den Musikunterricht in der Schule diskutiert werden sollten.

„Rush Tickets“

Unter der Intendanz Peter Gelbs wurden weitere Ideen entwickelt, um neue Zuschauer in die Met zu holen. Zu den besonders erfolgreichen Initiativen gehören die „Varis Rush Tickets“, die an jedem Werktag genau zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn angeboten werden: Jeden Tag werden so kurzfristig bis zu 200 Karten zu einem Preis von 20 Dollar pro Ticket verkauft. Dieses Programm führt dazu, dass nicht nur die Zuschauerschaft wächst, sondern dass auch Opernliebhabern, die sich den Besuch eigentlich nicht leisten könnten, das Live-Erlebnis ermöglicht wird.

Sponsoring

Zum 125. Geburtstag der Met im Jahr 2010 gibt es einen millionenschwer ausgestatteten Fonds, in den einzelne Familien bis zu 30 Millionen Dollar zahlen. So spenden Mercedes und Sid Bass jeweils 30 Millionen, die Annenberg Foundation 10 Millionen Dollar. Minimum für diesen Fonds ist eine Spende von 1 Million Dollar. Diese große Anzahl von zirka 45 Mäzenen sorgt dafür, dass neue Produktionen, neue innovative Medienprogramme oder HD-Initiativen möglich werden.
Daneben gibt es einen Rat für herausragende künstlerische Leistungen, dessen Mitgliederspenden zwischen 250.000 und 1 Million Dollar liegen und der das Engagement herausragender Künstler ermöglicht. Dieser Rat ist in die künstlerische Konzeption einbezogen. Zusätzlich gibt es Unterstützer für bestimmte Produktionen, für Premieren oder die Wiederaufnahme besonders aufwändiger Produktionen. „The Golden Horseshoe Circle“ umfasst zirka 60 Mäzene, die über 3 Jahre mit je 200.000 Dollar für die finanzielle Stabilität des Betriebs der Met sorgen, um den hohen künstlerischen Standard zu halten.

Weitere Sponsoren, die zwischen 150.000 und 1 Million Dollar bezahlen, decken die Rundfunkübertragungen und deren Aufwand ab. Die Namen dieser sehr zahlreichen Sponsoren werden auf einer Website veröffentlicht. Für das Metropolitan Opernorchester gibt es einen Fonds für Spenden ab einem Betrag von 5.000 Dollar. Für HD-Übertragungen in Schulen stehen Sponsoren bereit, die zwischen 5.000 und 500.000 Dollar beisteuern.

Darüber hinaus verfügt die Met über einen großen Zirkel von „fellows“ und „major donors and patrons“, die jeweils zwischen 5.000 und 50.000 Dollar spenden. Diese haben einen besonderen Ticketservice. Sie dürfen eine eigene Lounge nutzen und haben Zugang zu besonderen Kostümproben. Eine Gruppe von zirka 1.000 Freunden der Met hat die „Encore Society“ gegründet und unterstützt die Met durch Vermächtnisse.

Das amerikanische Steuersystem erlaubt Steuerersparnisse bei Spenden an Wohltätigkeitsorganisationen, Schulen, Krankenhäuser und künstlerische Organisationen. Ein Sponsor wird für sein Engagement zunächst und grundsätzlich eine Organisation wählen, die ihn oder sie interessiert. Sofern ein Opernhaus unterstützt wird, ist also die Liebe zum Genre „Oper“ vermutlich vorhanden.

Die Darstellung zeigt, dass die Abhängigkeit amerikanischer Opernhäuser von privaten Sponsoren enorm groß ist. Auch, wenn die Met bisher in der Krise gut überlebt, hat diese durchaus Auswirkungen auf die Situation der Häuser in den USA. So musste schon im Jahr 2008 das erste Opernhaus, die Opera Pacific in Santa Ana in Kalifornien, dichtmachen. Andere Häuser klagen über den Rückgang der Eintrittseinnahmen und der Sponsorengelder – und ziehen entsprechende Konsequenzen bei ihrer Personal- und Programmpolitik. Die Met lebt – noch – auf einem anderen Stern.

Joachim Gerth

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