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Schwerpunkt: Musiktheaterbau

Provisorium zwischen Kühlcontainern

Generalsanierung des Mainfranken Theaters Würzburg

Er sei fasziniert vom Abgleich der Pläne und der Realität – der Erweiterungsbau überzeuge ihn jetzt noch mehr, sagt Dirk Terwey, Geschäftsführender Direktor des Mainfranken Theaters Würzburg. Innerhalb weniger Monate sei hier ein völlig neues, mit Terweys Worten „fast himmelstürmendes Gebäude“ entstanden. Bauphase eins erklärte er beim Rundgang im April als „just in time“ abgeschlossen, der Innenausbau des neuen Kopfbaus am Theater-Bestandsgebäude hat inzwischen begonnen.

72 Millionen Euro sind für die Sanierung des 1966 eröffneten Theaters angesetzt, bei ersten Planungen war man noch von 65 Millionen Euro ausgegangen. Die ersten Arbeiten begannen im August 2018 mit dem Abriss des einstigen Foyers. Zu zeitlichen Verzögerungen kam es damals, als Bauarbeiter bei der Aushebung der Baugrube im Untergrund auf Reste des früheren Hauptbahnhofes stießen, der beim Bombenangriff auf Würzburg im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war. Im Herbst 2022 soll die Theatersanierung aber weiterhin abgeschlossen sein.

Der neue Theateranbau im Rohbau steht inzwischen. Foto: Michaela Schneider

Der neue Theateranbau im Rohbau steht inzwischen. Foto: Michaela Schneider

Terwey zeigt sich zum jetzigen Zeitpunkt positiv – sowohl was Finanzen als auch die Einhaltung des Zeitplans angeht –, gibt allerdings zu bedenken: Man habe gerade einmal die Halbzeit erreicht bei einem Millionenprojekt. Die Komplexität der nun folgenden Bestandssanierung sei nochmal eine wesentlich größere. Auch spielen jetzt, in Pandemiezeiten, neue Unwägbarkeiten hinein.

Ehe die Theatertüren Mitte März wegen Corona schließen mussten, lief der Theaterbetrieb ohne allzu große Einschränkungen parallel zu den Bauarbeiten weiter – außer einem verkleinerten Eingangsbereich, einer verlagerten Garderobe, einem versperrten Haupteingang und Baugerüsten an der Fassade bekamen Theatergänger von den Maßnahmen wenig mit. Ab der Spielzeit 2020/2021 wird sich dies ändern. Dann wird das Große Haus geschlossen sein und Theaterbesucher werden Ballett, Schauspiel und Musiktheater an Ausweichspielstätten erleben, allen voran in der derzeit entstehenden „Theaterfabrik Blaue Halle“.

3.300 Quadratmeter Fläche stellt die va-Q-tech AG, international operierender Anbieter von Hochleistungs-Produkten und Lösungen im Bereich der thermischen Super-Isolation und temperatur-kontrollierten Logistik, dem Mainfranken Theater dafür zur Verfügung. Die Kooperation ist auch insofern spannend, als Backstagebereich und Produktion direkt aneinander grenzen: Während riesige Kühlcontainer für den weltweiten Versand von Medikamenten vorbereitet werden, werden sich Ensemble und Orchester direkt nebenan auf Vorstellungen vorbereiten. Neben Umkleiden, Maske und einem kleinen Lagerbereich für die Technik sind zudem die Theaterwerkstätten mit zur va-Q-tech AG umgezogen. Ohne Corona wäre in der „Theaterfabrik Blaue Halle“ Platz für 500 Zuschauer, derzeit plant das Theater mit 100 bis 120 Plätzen pro Vorstellung. Inzwischen steht auch der „coronataugliche“ Spielplan bis in den Januar.

Herzstück im künftigen Theaterfoyer wird die geschwungene Treppe sein. Foto: Michaela Schneider

Herzstück im künftigen Theaterfoyer wird die geschwungene Treppe sein. Foto: Michaela Schneider

Wenn die Sanierung des Theaters weiter nach Plan läuft, könnten ab 2021 erste Produktionen auch schon im neuen Theaterkopfbau zu sehen sein – sowohl im neuen „Kleinen Haus“ als einer Spielstätte für normalerweise rund 330 Zuschauer als auch übergangsweise im „Probenraum 1“. Von „Winter oder Frühjahr“ spricht Terwey und will sich noch auf keinen konkreteren Zeitpunkt festlegen. Intendant Markus Trabusch ergänzt: Selbst wenn die Bauarbeiten abgeschlossen seien, brauche es seiner Erfahrung nach – und die konnte er bei Theatersanierungen in Salzburg und Augsburg sammeln – noch vier bis sechs Wochen, ehe die Theatermannschaft etwa auf neue Technik eingespielt sei.

Beim Baustellenrundgang im April legten Trabusch und Terwey auch einen Stopp auf dem künftigen „Stadtbalkon“ ein. Im Freien wird das Theaterpublikum hier künftig hinter einem Glasgeländer den Pausensecco schlürfen können – rechts im Eck inklusive Festungsblick. Viel Glas wird die komplette Theaterfront prägen und gleichermaßen Aus- wie Einblicke ermöglichen – vor allem in den künftigen Ballettraum: Die zwei Raumseiten in die Stadt wie auch ins Foyer hinein werden verglast und den Würzburgern ständige Probeneinblicke eröffnen. „Wir wollen zeigen, dass am Theater gearbeitet wird“, sagt Trabusch, ergänzt: „Alles was wir machen, machen wir fürs Publikum.“

Das auch im Rohbau sichtbare Foyer-Herzstück wird eine geschwungene Treppe sein. Auch wie die neue Spielstätte im Kleinen Haus künftig aussehen wird, kann man sich bereits vorstellen: Der Zuschauerraum steigt recht steil nach hinten an. Die Bühne wird – im modernen Theater heute durchaus beliebt – ebenerdig sein. Ebenso in Sachen Höhenausbau inklusive Obermaschinerie wird deutlich, dass es bei der Sanierung weniger um Größe, sondern vor allem um einen zeitgemäßen Theateranbau für moderne Bühnenproduktionen geht. In erster Linie ist hier in Zukunft Schauspiel geplant, doch nicht nur: So sei bereits für die kommende Spielzeit eine zeitgenössische Musiktheaterproduktion angedacht, verrät Trabusch. Wie der Ballettraum werden auch die Probebühnen 1 und 2 im Keller fast eins zu eins den Relationen der Bühne entsprechen. Nicht nur „Romeo und Julia“ mit dem weltberühmten Balkon, sondern die halbe Weltliteratur sei nun mal zweigeschossig, sagt Intendant Trabusch mit Blick auf die Raumhöhe. Während der Interimszeit werden Theaterbesucher die Probebühne 1 übrigens wohl auch als Theaterspielstätte erleben. Hocherfreut über die künftigen Voraussetzungen im neuen Orchesterprobenraum dürfte das Philharmonische Orchester Würzburg sein, das bisher ausgelagert in einem Raum probte, der einem Orchestergrabenklang mitnichten gerecht wurde und sich an heißen Sommertagen unterm Dach dramatisch aufheizte.

Vorbei sein werden mit dem Theaterneubau Zeiten, in denen sich die Besuchergastronomie auf Kaltgetränke und Butterbrezeln beschränkte. Geplant ist ein verpachteter Restaurationsbetrieb mit Öffnungszeiten von mittags bis in den Abend hinein inklusive Außengastronomie.

Michaela Schneider

 

 

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