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Schwerpunkt: Musiktheaterbau

Freude vor und hinter dem Vorhang

Das Theaterehepaar Emanuela und Walter Achatz. Im Gespräch mit Beatrix Lesser und Wolf-Dieter Peter

Nach Neubau des Probengebäudes und der Werkstätten sowie Generalsanierung der Münchner Kammerspiele, der Sanierung des Cuvilliéstheaters und des Staatstheaters am Gärtnerplatz, der derzeit laufenden Erweiterung und Generalsanierung des zum Staatstheater avancierten Theaters Augsburg läuft Gleiches in Darmstadt, und es wird an Wettbewerben für weitere Theater gearbeitet – Gründe genug, mit dem „Atelier Achatz“ über den Komplex „Theater und Architektur“ zu sprechen.

O&T: In der weltweit beneideten Theaterlandschaft Deutschland stehen ja viele Theatertempel bereits. Andererseits will sich doch ein Architektenehepaar womöglich „verwirklichen“: in Neubauten. Bei Theateraufträgen geht es aber meist um „umbauen“ – ist das eher enttäuschend?

Staatstheater Darmstadt. Foto: Lottermann and Fuentes.

Staatstheater Darmstadt. Foto: Lottermann and Fuentes.

Walter Achatz: Wir sind da grundsätzlich offen. Es begann vor über 25 Jahren mit dem Auftrag zum Neubau eines Probengebäudes für die Münchner Kammerspiele – und dann wurde daraus die Sanierung aller Gebäude, die sich über 15 Jahre hingezogen hat, nicht zuletzt wegen damaliger Finanzierungsengpässe der Stadt München. Den derzeit aktuellen Begriff „Betongold“ greifen wir aber durchweg auf: das Erhalten von Substanz, sie weiter zu entwickeln und mit dem Alten etwas Neues schaffen, was dann für Generationen wieder Bestand hat.

O&T: War das eine bewusste Entscheidung für die Schiene „Theaterarchitektur“?

Walter Achatz: Kurz nach Abschluss meines Studiums an der Wiener Akademie durften wir an einem „geladenen Wettbewerb“ von nur zehn hochrangigen Büros teilnehmen und haben uns in der zweiten Runde durchgesetzt. In dem folgenden, jahrelangen Prozess haben wir dann alle Erfahrungen gesammelt, die wir bis heute immer wieder einbringen können.

O&T: Ist da ein Unterschied zwischen Auftraggeber und Bauherr?

Walter Achatz: Ja, Auftraggeber ist bei einem Staatstheater eben der Staat, im anderen Fall die Stadt. Aber der Bauherrenvertreter sind dann die jeweiligen Staats- oder Stadtbauämter. Wenn das Kulturministerium beziehungsweise -referat dazukommt, vertritt es vor allem den späteren Nutzer – Intendant samt Team – mit deren Wünschen.

O&T: … und dann kommen womöglich noch Einwände des Denkmalamts?

Walter Achatz: Ja, aber berechtigterweise, da vor allem die Werkstätten des Theaters im Alltagsbetrieb ohne größere Rücksprache und Rücksicht auf die vorhandene Substanz fleißig weitergebaut, oft zu optimieren und zu verbessern versucht haben – bis hin zu „Wildwuchs“. Dazu kommen Anforderungen wie die „Betriebsoptimierung“ für den Theateralltag, dann moderne Logistik, dann das große Thema Barrierefreiheit.

Emanuela Achatz: Hinzu kommen als wichtige Parameter „Brandschutz“, „Akustik“ und „Gebäudetechnik“.

Walter Achatz: Da wollen und müssen wir das Haus ertüchtigen, auf den letzten Stand der Technik bringen. Aufgrund der Erfahrungen in vergangenen Jahrzehnten und auch Jahrhunderten sind speziell die Brandschutzvorschriften dermaßen komplex geworden, dass es oft sehr schwierig wird, alle auch anderen Regularien planerisch zu erfüllen.

O&T: Wie ist Ihr Arbeitsprozess?

Gärtnerplatztheater. Foto: Christian POGO Zach

Gärtnerplatztheater. Foto: Christian POGO Zach

Emanuela Achatz: Ich mache eher gerne die Innenausstattung, auch mal das Intendantenzimmer, Auswahl der Materialien und Farben – das alles in enger Abstimmung auch mit der Denkmalpflege. So ist es uns etwa im Münchner Cuvilliéstheater gelungen, das historische Erscheinungsbild in den Foyers hoch leben zu lassen und Neues einzufügen wie die Überkuppelung, die Theken und Garderoben.

Walter Achatz: Eine tragende Säule sind natürlich die heute rund 15 Mitarbeiter, die über die Jahre schon zu Spezialisten geworden sind. Zusätzlich braucht man bei Projekten dieser Art auch eine Vielzahl an Fachplanern, die den Architekten mit ihrem Wissen unterstützen und begleiten. Vieles ist durch moderne Technik hochkomplex, äußerst planungsintensiv und zeitaufwendig geworden. Ein kleines Beispiel aus der Praxis: Allein im Probengebäude der Münchner Kammerspiele mussten 640 Kilometer Elektro-Kabel verlegt werden, Vergleichbares im Gärtnerplatztheater. Dazu kommt die aufwendig gewordene Medientechnik, Ton und Video.

O&T: Und dann kommt noch ein wichtiger Mann: der Akustiker…
Emanuela Achatz: Er spielt für den Konzertsaal-Bau eine viel größere Rolle…

Walter Achatz: … und bei der Theatersanierung sorgen wir vor Baubeginn für die Durchführung einer „Bestandsmessung“ von Nachhallzeiten, Absorptionsgraden der Oberflächen – um auch das Argument „das hat ja vorher viel besser geklungen“ nach Abschluss zu entkräften. Doch im Unterschied zum Sprech- sind im Musiktheater unterschiedliche Orchesterbesetzungen, differenzierte Gesangssituationen „normal“. Das macht es schwieriger, Bedingungen zu generieren, die für alle Sparten optimal sind.

O&T: Kommen auch noch Wünsche von Intendanten und GMD?

Emanuela Achatz: Klar, aber: Sehr oft „überleben“ wir Architekten bei einer Sanierung das Führungsteam des Anfangs. Gesamt-Dauer Kammerspiele: 15 Jahre, Gärtnerplatztheater: 7 Jahre. Darum lautet ein Standardsatz meines Mannes: Wir bauen das Theater für die Stadt.
Walter Achatz: Die Arbeitsmethodik von Architekten und Theatermenschen ist eine kreative, unterscheidet sich aber in einem wesentlichen Punkt: Wir erarbeiten unsere Konzepte auf zweidimensionalen Plänen und können uns den gebauten Zustand problemlos vorstellen; Theaterleute sind gewohnt, ein Konzept im Entstehen zu verändern, Szenen umzuwerfen und neu zu interpretieren; die brauchen eine „Bau-Probe“ – das geht halt bei uns fast gar nicht…

O&T: Sanierung und Umbau bei laufendem Spielbetrieb?

Walter Achatz: Das hat meist nicht funktioniert. Weil Theaterferien in der Regel zu kurz sind, weil Baulärm und Probenarbeit parallel nicht gehen.

O&T: Aktuelles Stichwort „Nachhaltigkeit“: Bauen Sie für „die Ewigkeit“?

Walter Achatz: Früher hat man Häuser gebaut, die sollten mindestens 100 Jahre halten. Der technische Fortschritt hat das dann auf 50 Jahre reduziert. Die Spanne zwischen einer Generalsanierung und der nächsten liegt heute bei 30 Jahren. Die Möglichkeiten, die die moderne Veranstaltungstechnik bietet und die Theatermacher zu gerne anwenden, werden das womöglich noch verkürzen. Damit einher geht ein schlichtes Platzproblem. Beispiel Gärtnerplatz: Vor der Sanierung waren etwa 800 Quadratmeter mit Technik belegt – und wir haben jetzt aufgrund der neuesten Anforderungen 3.500 Quadratmeter realisiert. Das geht nur, wenn man in die Tiefe baut und ein Teil wie im Gärtnerplatz aufs Dach stellt. Immer gesetzt, dass das Erscheinungsbild eines historischen Hauses erhalten bleibt.

O&T: Auch die Kosten sollen ja überschaubar bleiben…

Walter Achatz: Man macht immer wieder den gleichen Fehler! Es wird ein Millionenbetrag bei einem Projekt einer gewissen Größenordnung öffentlich kommuniziert, ohne eine fundierte Vorplanung abgeschlossen zu haben: die sogenannte „politische Zahl“, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen wird. Solche Zahlen sind aber eher vermittelbar, denn Kultur ist für Kommunen eben eine freiwillige Leistung. „Kostenexplosion“ ist ein Reizbegriff, der uns auch beim Gärtnerplatz entgegenschlug. Fairerweise müsste transparent gemacht werden, dass die ursprüngliche Bauaufgabe während der Durchführung, zum Beispiel durch Zusatzwünsche, stetig gewachsen ist. Nach den Erfahrungen der letzten Projekte hat die Öffentliche Hand aber jetzt endlich die sogenannte finanzielle „Risikoreserve“ zugelassen – auch um von den sogenannten „Bürgermeisterzahlen“, die anfangs genannt werden, wegzukommen.

O&T: Wie sähe für Sie ein Theaterbau der Zukunft aus?

Walter Achatz: Ich sehe unseren weltweit neidvoll betrachteten Reichtum an Theatern aus dem 19. Jahrhundert. Ich kenne Kieslers Ideen der Raumbühne oder Ideen der „Endless Stage“. Und dann registriere ich, dass diese Guckkastenbühne 400 Jahre Erfolgsgeschichte hinter sich hat, mit Werken, die da-rin funktionieren. Wenn wir einmal ganz andere Werke haben, werden wir anders bauen. Doch beispielsweise in unserer Arbeit am Staatstheater Darmstadt realisieren wir, dass künftig das Publikum dauerhaft auf der Bühne sitzen kann und darf, Seiten- und Hinterbühne sowie Zuschauerraum in die Inszenierung miteinbezogen, Vorder- und Rückseite also vertauscht werden können – da besteht keine Fixierung mehr auf den Guckkasten. Viel mehr müsste an der Schwellenangst vor dem Betreten dieser Theatertempel gearbeitet werden.

O&T: Aus welchen Gründen werden Sie ausgewählt? Wie kommt ein Auftrag zustande?

Walter Achatz: Es gibt zum einen den klassischen Architekten-Wettbewerb und zum anderen das VgV-Verfahren, die Vergabeverordnung für öffentliche Aufträge: Da bewerben Sie sich, reichen die geforderten Unterlagen ein, kommen durch Expertise, Referenzen und Preis in die engere Auswahl und werden dann in der Endrunde zum Vergabegespräch eingeladen

O&T: Bei freier Wahl: Welcher andere Beruf käme in Frage?

Walter Achatz: Architektur ist kein Job, sondern unsere Berufung, und es stehen in Deutschland sicher noch fünfzig Theater zur Sanierung an. Es wäre großartig, wenn wir noch einige schöne Projekte realisieren dürften – wir arbeiten einfach gerne mit und für diese kreativen, leidenschaftlichen Theatermenschen. Und was gibt es Schöneres, als in einem von uns sanierten Theater zu sitzen, an dem man selber mit gebaut hat, damit es Freude vor und hinter dem Vorhang gibt?

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