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Berichte

Ein bitterernster Abend

Pendereckis „Teufel von Loudun“ in Dresden
Von Oliver Wazola

Nach einer Stunde schreckt man auf: Eine Menschentraube in flippigen Klamotten aus den 30er-Jahren platzt in den schwarzen Bühnenraum. Endlich, denkt man da im zweiten Akt von Pendereckis „Die Teufel von Loudun“, endlich kommt etwas Farbe ins triste Spiel um Tod und Verderben. Und für Minuten scheint sich das Blatt wirklich zu wenden: Wo bislang nur schwarze Kostüme für die bösen, bösen Männer zu sehen waren und die Frauen im blütenweißen Ornat auftraten, da bevölkern nun Priester mit poppigen Jesus-Stickern die Bühne. Doch der Schein trügt, wie so oft, auch hier: Bald fällt die Aufführung der Dresdner Semperoper wieder zurück in den alten Trübsinn mit fanatischen Exorzisten, hysterisch kreischenden Nonnen und einem Pfarrer, der nach einem Schauprozess von der Inquisition verbrannt wird.

 
 

P. Menzel (Vater Mignon), G. v. Kannen (Vater Barré), R. Büsching (Vater Rangier). Foto: Döring

 

Dass an allem Elend der Welt wieder einmal Staat und Kirche Schuld haben, das kapiert man allerdings gleich, wenn der Vorhang zur Inszenierung von Harry Kupfer aufgeht und die Bühne von Hans Schavernoch freigibt: In der Mitte prangt drei Akte lang ein Kreuz aus Stahlgittern, von einem riesigen Manager-Hemdsärmel kopfüber in den Boden gerammt. Und damit auch bis in den letzten Winkel der Galerie klar wird, dass Macht und Religion nicht zusammengehören, hängt am Kruzifix ein ausgemergelter Arm mit einem Nagel durch die Hand. Natürlich ist die Verquickung von Staat und Kirche gerade in Pendereckis Opernerstling ein zentrales Thema. Schließlich geht es schon in Aldous Huxleys gleichnamiger Vorlage von 1952, die Penderecki nach der Dramatisierung von John Whiting vertonte, genau darum: Der recht weltliche Priester Urbain Grandier widersetzt sich im 17. Jahrhundert politischen Anweisungen, wird Opfer einer Intrige und landet zu Unrecht auf dem Scheiterhaufen. Aber braucht es wirklich das riesige Stahl-Kreuz, um die menschenverachtenden Dimensionen der Grusel-Story dem Zuschauer begreifbar zu machen? Im Vergleich dazu wirkt die Personenregie von Harry Kupfer nicht ganz so plakativ. Zumal in den satirischen Augenblicken der Partitur und in den Massenszenen im zweiten und dritten Akt merkt man, wie geschickt Kupfer zur Sache geht. Nur warum er die Geschichte eigentlich erzählt, wird einem bis zuletzt nicht ganz klar. Nichts gegen den dramaturgischen Zug, mit dem er die äußere Handlung entwickelt. Aber was sie in den Protagonisten auslöst, darüber ist nicht viel zu erfahren. Da wird man oft allein gelassen.

Das wäre ja auch in Ordnung, wenn es um ein anderes Stück gehen würde. Die Regie muss dem Zuschauer ja nicht immer alles vorkauen. Doch in Bezug auf Pendereckis „Teufel“ wird man zugeben müssen, dass ein Theater schon triftige szenische Gründe ins Spiel bringen muss, wenn es die 1969 in Hamburg uraufgeführte Oper überhaupt auf den Spielplan setzt. Eine Schatzkiste musikalischer Inspiration ist sie nämlich nicht gerade. Manchmal wirkt die Musik derart substanzarm, dass man affirmativ von einer sehr dezenten Klangkulisse sprechen könnte: Das ohnehin dürftige Material wechselt stereotyp zwischen endlos gedehnten Clustern, wahlweise im dreifachen Piano oder Forte, bizarren Bläser-Einwürfen und indifferenten Klangschichtungen. Diskursive Zusammenhänge entstehen nur am Rande. Deshalb fällt auch schwer, zu sagen, was Dirigent Vladimir Jurowski daraus macht. Am ehesten noch, dass er mehr auf phonstarke Orchestereruptionen setzt als auf schwebenden Sensualismus. Immerhin: In manchen Momenten kommt dadurch Bewegung in die relative Statik von Pendereckis Partitur, die übrigens von der Staatskapelle Dresden mit viel Präzision und Pathos zum Klingen gebracht wird.

Sicher gilt das genauso für Evelyn Herlitzius in der heiklen Partie der Jeanne. Nur wirkt leider manches kalkuliert, weil gehauchtes Piano, Sprechgesang und hysterische Attacken in der Höhe selten ein schlüssiges Ganzes ergeben. Ganz anders Günter von Kannen: Bei ihm sind die Sadismen des Vater Barré das Natürlichste der Welt, was an seiner ungekünstelten Bühnenpräsenz liegt, aber auch an der vollen Bassstimme und der klaren Diktion. Überhaupt ist in dieser Aufführung jedes Wort zu verstehen. Bei Hans-Joachim Ketelsen als Urbain kommt auch noch die lässige Eleganz des Verführers dazu. Günter Neumann als Apotheker und Andreas Schreibner als Chirurg bewältigen den heiklen Grat ihrer Rollen: Im ansonsten bitterernsten Abend wirkt ihr Intrigenspiel erfrischend satirisch ohne gleich in aufgesetzte Buffonerien zu verfallen. Da zieht einen auch das Stück wieder für Minuten in seinen Bann.

Oliver Wazola

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