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Editorial

Fände das Vorhaben des Freistaates Thüringen „zur künftigen Gestaltung der Theater- und Orchesterfinanzierung“ Nachahmer in anderen Bundesländern, so wäre der Abbau des Kulturangebotes künftig wenigstens vorherseh- und berechenbar. Vor Überraschungen wie der Schließung des Schiller-Theaters in Berlin oder der Auflösung der Brandenburgischen Philharmonie in Potsdam, wäre das Publikum gefeit; Beerdigungen könnten vor Eintritt des Todes inszeniert werden.

   

Stefan Meuschel

 

Die Thüringer Theater-Abbau-Formel besteht aus einer politischen Vorgabe und einem mathematischen Axiom. Die politische Vorgabe lautet: Der Freistaat ist bereit, den Thüringer Gebietskörperschaften, die Theater und Orchester unterhalten, hierfür weiterhin Betriebskostenzuschüsse in Höhe von 117 Millionen Mark jährlich zur Verfügung zu stellen. Diese Zusage soll bis 2008 gelten. Steigerbar ist dieser Betrag nicht.

Das weder beweisbare noch eines Beweises bedürftige Axiom lautet: Im Planungszeitraum 2003 bis 2008 werden die Betriebskosten schrittweise um bis zu rund 50 Millionen Mark, davon allein um bis zu 42 Millionen Mark an Personalkosten jährlich steigen. Die angenommene Steigerung resultiert aus der Addition von Inflationsrate, Staatsquote und tariflichen Lohnbewegungen. Da, so die Behauptung des Freistaates, die kommunalen Rechtsträger der Theater und Orchester weder willens noch in der Lage sind, die approximativ errechneten Betriebskostensteigerungen auszugleichen, bleibe nur die Anwendung der Formel: Das kulturelle Angebot, die Einrichtungen und das Personal sind so rechtzeitig und in solchem Umfang abzubauen, dass die Betriebskostensteigerungen gar nicht erst entstehen.

Um die Formel auch gleich mit Leben zu erfüllen, legte die Thüringer Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Dagmar Schipanski, schon im Mai die Vorstellungen ihres Hauses zu den „notwendigen, tiefgreifenden Veränderungen“ vor. Danach soll das Deutsche Nationaltheater Weimar sein Musiktheater aufgeben und Schauspielhaus werden (die Staatskapelle bleibt zwar erhalten, wird aber in Erfurt Dienst tun), Erfurt wird Musiktheater (aber ohne Orchester), Gera/Altenburg und Meiningen bleiben – unter Sparauflagen – erhalten, alle übrigen Theater und Orchester – mit Ausnahme der Jenaer Philharmonie – schrumpfen zu einer Landesbühne (Landestheater Eisenach/Rudolstadt/Saalfeld, Theater Nordhausen/Sondershausen, LSO Gotha und Vogtland Philharmonie). Grundlage dieser Vorstellungen: Wenn rechtzeitig 600 von den derzeit 2.400 Beschäftigten der Thüringer Theater und Orchester gekündigt werden, funktioniert die Formel.

Die Städte Erfurt und Weimar, deren Bühnen „irgendwie“ kooperieren sollen, meinten auf einen Schelm noch anderthalbe draufsetzen zu müssen, als sie in erster Reaktion auf der Kunstministerin Vorstellungen vorschlugen, alle Theater und Orchester in Thüringen – natürlich mit Ausnahme derer in Erfurt, Meiningen und Weimar – aufzulösen; die drei Verbleibenden würden dann für landesweite Bespielung sorgen.

Mag nun der Schipanski-Plan nur ein Versuchsballon sein, das Traditions- und Kulturbewusstsein der Kommunen zu schärfen oder zu testen – denn ehrlicherweise darf nicht verschwiegen werden, dass Thüringen mit dem bundesweit höchsten Betriebskostenzuschuss pro Theater- beziehungsweise Konzertbesucher die bundesweit niedrigsten Einspielquoten erzielt – mag diese Absicht des Ministeriums sogar, wie erste Reaktionen der betroffenen Kommunen zeigen, zweckdienlich sein, so muss doch gesagt werden, dass die Grundlagen des Ab- und Umbauplanes kulturellen Respekt, Sachkenntnis und Redlichkeit vermissen lassen.

Respektlos ist es, den neuen Erfurter Intendanten ein Klagelied über das „Thüringer Mittelmaß“ anstimmen zu lassen und gleichzeitig das DNT Weimar zerschlagen zu wollen. Mangelnde Sachkenntnis verrät es, ein von Saalfeld über Eisenach bis Nordhausen sich erstreckendes Landestheater etablieren zu wollen oder Erfurt/Weimar unter den ministeriellen Vorgaben faktisch zu fusionieren: Das rechnet sich nicht.

Und unredlich ist es, einerseits nur Betriebskosten-, nicht aber mögliche Einnahmesteigerungen in die arg axiomatische Rechnung aufzunehmen, andererseits beabsichtigte Vertragsumgehungen zur Kalkulationsgrundlage zu machen. Es sind doch auch Kommunal- und Landespolitiker Thüringens, die beispielsweise eine Angleichung der Ost- an die Westlöhne fordern. Sie wären es doch auch, die für die VKA oder die TdL entsprechende Tarifverträge (mit-)unterzeichnen würden. Die Thüringer Formel aber offenbart, dass von vorneherein beabsichtigt ist, derartige Verträge nicht zu respektieren, indem das entsprechende Geld nicht zur Verfügung gestellt, stattdessen adäquater Personalabbau verlangt wird. Pacta sunt servanda, hieß es früher einmal.

Ihr Stefan Meuschel

 

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