Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


 

Aktuelle Ausgabe

Editorial

Wilhelm Pitz-Preis

Komponist, Dirigent, Interpret
Pierre Boulez erhielt in Bayreuth den Wilhelm Pitz-Preis der VDO
Zeitgenosse Boulez
Stefan Meuschels Begrüßungsansprache
Boulez, der Freund
Ein Rückblick von Manfred Jung
Bayreuth wird nicht gesprengt
Pierre Boulez über seine Arbeit, den Preis und die Musikkultur

Kulturpolitik
Das Ende einer Ära
Rückblick und Ausblick am Staatstheater Hannover

Portrait
Eine Frau auf dem Chefsessel
Die Nürnberger Ballettdirektorin Daniela Kurz
Phönix aus der Asche
Das Badische Staatstheater Karlsruhe

Berichte
Weikersheim: Puccini im Container
Bregenz: Monumentale „Bohème“-Inszenierung
Salzburg: Die Ära Mortier in Salzburg endete turbulent
Bayreuth: Der Bayreuther Ring


Rauschende Rasanz
Ein „Who’s who“ der Verdi-Diskografie (Teil 2)

Service
VdO-Nachrichten
Alles, was Recht ist
Schlagzeilen
Namen und Fakten
Oper und Tanz im TV
Stellenmarkt
Spielpläne 2001/2002

 

Portrait

Phönix aus der Asche

Das Badische Staatstheater Karlsruhe · Von Nike Luber

Wie Phönix aus der Asche ist auch das Karlsruher Theater aus mehreren Bränden wieder neu erstanden, jedes Mal in veränderter Form. Baugeschichte ist hier Theatergeschichte, und umgekehrt. Heute sieht man dem Haus seine Tradition nicht an. Nichts erinnert an die Singspiele der Barockzeit im damaligen Hof zu Durlach. Auch der Theatersaal des 1715 erbauten Karlsruher Schlosses ist längst in der Geschichte versunken. Immerhin kam der seinerzeit berühmte Opernkomponist Reinhard Keiser von Hamburg einmal auf einen Abstecher nach Karlsruhe, wo eine seiner Opern aufgeführt wurde. Der sparsame Nachfolger des lebenslustigen Stadtgründers Karl Wilhelm wollte von der kostspieligen Theaterkunst nichts wissen und überließ das badische Terrain erst einmal Wandertruppen. Aber die Geschichte holte auch Karl Friedrich ein. Als er, dank Napoleon, vom Markgrafen zum Großherzog von Baden „befördert“ wurde, stiegen die Ansprüche einer repräsentativen Hofhaltung. 1808 hatte Friedrich Weinbrenner, der für Baden die gleiche Rolle spielte wie Schinkel für Preußen, in Karlsruhe ein Theatergebäude in der Nähe des Schlosses erbaut. 1810 avancierte das Haus zum großherzoglichen Hoftheater, das weithin für seine Ausstattung gerühmt wurde.

   

Die alte Ansicht des Staatstheaters. Foto: Landesbildstelle Baden

 

Die Pracht bestand hauptsächlich aus Leinwand und Holz, denn auch Weinbrenner konnte sparen. In einer gut besuchten Aufführung am 28. Februar 1847 brach ein Feuer mit verheerenden Folgen aus. Das Theater brannte völlig ab und nur ein Teil der Zuschauer konnte sich retten, denn die Türen waren nicht von innen zu öffnen. Der Theaterneubau ließ zunächst auf sich warten, erst 1853 war das von dem damaligen Hofarchitekten Heinrich Hübsch entworfene Haus fertig. Mit 2.000 Plätzen war das Hoftheater umfangreicher als das Große Haus des Badischen Staatstheaters heute, das 1.000 Zuschauer aufnimmt. Die Karlsruher gingen gern ins Theater, ihren Geschmack fand der 1852 bestallte Theaterleiter Eduard Devrient jedoch höchst bedauerlich. Trivialkomödien für schenkelklopfende Besucher war nicht das, was dem in Berlin und Dresden renommierten Sänger und Schauspieler vorschwebte. Devrient, der erste „Profi“ unter den Intendanten der Hofbühne, setzte gegen den Widerstand des Publikums eine umfassende Reform durch, die aus dem Karlsruher Theater eines der modernsten seiner Zeit und damit zu einer führenden Bühne in Deutschland machte.

Devrient holte fähige Leute in das Schauspiel- und Opernensemble, und er schuf Spielpläne, die sich selbst heute sehen lassen könnten. Sämtliche Bühnenwerke Shakespeares wurden in Karlsruhe gespielt, dazu Dramen von Schiller und Goethe sowie anspruchsvolle zeitgenössische Stücke. Opern von Gluck bildeten den ersten Schwerpunkt im Musiktheater, außerdem begann unter Devrient die Wagner-Pflege, die das Haus bis heute hochhält. Devrient kannte Wagner aus Dresden und mochte ihn nicht sonderlich, aber er sorgte für Aufführungen, die Furore machten. 1855 wurde „Tannhäuser“ ein unerwarteter Publikumserfolg, 1856 folgte „Lohengrin“, 1857 „Der fliegende Holländer“. Die weiblichen Hauptrollen sang Malvina Garrigues, die mit ihrem späteren Ehemann, dem Tenor Ludwig Schnorr von Carolsfeld, in der Uraufführung des „Tristan“ in München auftrat. Die hervorragenden Sänger und die gute Aufnahme durch das badische Herrscherpaar ließen Wagner eine Zeit lang an den Bau eines Festspielhauses in Baden denken. Doch Devrient wusste sich diese Konkurrenz vom Hals zu halten, und so hatte Karlsruhe lediglich den Ruf eines „Klein-Bayreuth“, während die heilige Halle auf einem grünen Hügel am Rand einer fränkischen Provinzstadt errichtet wurde.

Auch Brahms wusste das reiche kulturelle Leben in der badischen Hauptstadt zur Zeit von Devrient und der Dirigenten Hermann Levi und Felix Mottl zu schätzen, dokumentiert in dem Ausspruch, „ein anständiger Mensch müsse schon des klassischen Repertoires wegen alljährlich einige Monate in Karlsruhe leben“. Tempi passati. 1870 trat Devrient als Intendant zurück, das Hoftheater war in den folgenden Jahrzehnten nicht mehr ganz so glanzvoll. Die nächste Katastrophe traf 1944 ein, als ein Fliegerangriff das Hoftheater zerstörte. Lange blieben die Ruinen sich selbst überlassen, während im heutigen Konzerthaus aus dem improvisierten Nachkriegs-Theater ein Dauerzustand wurde, unter dem Darsteller und Publikum gleichermaßen litten. Im Tauziehen um den Platz am Schloss unterlag das Theater, an der Stelle der abgerissenen Ruinen residiert heute das Bundesverfassungsgericht.

Das Badische Staatstheater wurde am Ettlinger Tor neu errichtet, in einer mühsamen Wiedergeburt: 1964 begannen die Planungen, 1975 konnte das Haus endlich eröffnet werden. Wieder ein Karlsruher Theaterbau im Stil der Zeit, wieder einmal unter dem Gebot der Sparsamkeit stehend, aber unter all dem Waschbeton sehr funktional. Die Akustik des Großen Hauses hält jedem Anspruch stand, von allen Plätzen aus ist die Bühne gut sichtbar, die Foyers und Flure sind so weitläufig, dass der alljährliche Opernball als gesellschaftliches Ereignis der Region fungiert. Natürlich haben Devrients Nachfolger im 20. Jahrhundert eigene Akzente gesetzt, vor allem der von 1977 bis 1997 amtierende Generalintendant Günther Könemann. Er brachte sämtliche Opern von Richard Strauss auf die Bühne, ebenso selbstverständlich erklang in schöner Regelmäßigkeit eine Wagner-Oper. Aufsehen erregten auch einige der Uraufführungen, etwa Rainer Kunads „Der Meister und Margarita“.

Könemanns Erbe sind jedoch die Karlsruher Händel-Festspiele. Als Student in Halle und Göttingen von den Händel-Festspielen in beiden Städten inspiriert, hob Könemann 1978 die ersten Händel-Tage in Karlsruhe aus der Taufe. Zwar ist Händel, im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Keiser, nie in Baden gewesen, aber dieses Manko trifft auch die ältesten deutschen Händel-Festspiele in Göttingen. Aus bescheidenen Anfängen entwickelte sich im Badischen Staatstheater eine ganz eigene Händel-Tradition, der Aufschwung historischer Aufführungspraxis spiegelt sich alljährlich in der Festspiel-Zeit im Februar und März. Mit den Deutschen Händel-Solisten verfügt Karlsruhe über ein eigenes Festspiel-Orchester, das für Originalklang nach allen Regeln der Kunst sorgt. Könemann und sein Nachfolger, Pavel Fieber, haben immer eine glückliche Mischung aus eingekauften Spezialisten und Ensemblemitgliedern in den Festspiel-Produktionen gewahrt. Nächstes Jahr wird gefeiert, dann haben die Internationalen Händel-Festspiele in Karlsruhe mit dem 25-jährigen Jubiläum sozusagen die Festival-Volljährigkeit erreicht.

Entscheidend beteiligt ist das Badische Staatstheater auch an den Europäischen Kulturtagen, die alle zwei Jahre in Karlsruhe stattfinden, jeweils zu einem bestimmten Thema. Oft standen andere Länder im Mittelpunkt, Anlass zu spannenden Gastspielen sowohl in Karlsruhe wie im Partnerland. Unter Pavel Fieber haben neue Schwerpunkte im Musiktheater überregionale Aufmerksamkeit angezogen. Verdis frühe Opern etwa, in denen der Badische Staatsopernchor ebenso gefordert ist wie in den nach wie vor regelmäßigen Wagner-Neuinszenierungen. Ausgetretene Pfade hat das Haus verlassen, um lange vergessene Bühnenwerke der Zwanziger- und Dreißigerjahre neu zu entdecken, Korngold, Schreker, Krenek und Zemlinsky standen auf dem Spielplan und demonstrierten nebenbei die Leistungsfähigkeit des Staatstheaters. Kritiker bescheinigen dem Haus, einen der interessantesten Spielpläne in Deutschland vorzuweisen. „In Karlsruhe wird gut gesungen“, dieses Urteil aus Könemanns Zeit gilt nach wie vor, Fieber hat neben erfahrenen Sängern viele junge, viel versprechende Stimmen engagiert.

Das Ballett, lange von Germinal Casado geprägt, ist nach einer schwierigen Zeit des Umbruchs offenbar dabei, mit dem neuen Ballettdirektor Pierre Wyss zu einer zeitgemäß modernen Form zu finden. Auch das langjährige Sorgenkind, das Schauspiel, könnte sich unter dem designierten neuen Leiter Knut Weber erholen. Die Badische Staatskapelle hatte bisher immer Glück mit den Generalmusikdirektoren. Christof Prick ist auch heute unvergessen, unter Günter Neuhold wurde der „Ring“ eingespielt, Kazushi Ono lässt das Orchester besonders in den Sinfoniekonzerten des Badischen Staatstheaters zu großer Form auflaufen. Onos Wechsel an das traditionsreiche „La Monnaie“ in Brüssel zur Spielzeit 2002/2003 spricht für sich.

Derzeit wird ein adäquater Nachfolger gesucht, der, wie Ono, noch jung und ehrgeizig sein soll. Zeitgleich wechselt auch die Intendanz, auf Pavel Fieber folgt Achim Thorwald, derzeit Intendant in Wiesbaden. Thorwald übernimmt ein gut funktionierendes Haus, dessen Qualität im Vergleich zur Rivalin Stuttgart oft unterschätzt wird. Immer noch sind die Karlsruher begeisterte Opernbesucher, die an ihrem Staatstheater hängen. Publikum kommt auch von der anderen Rheinseite, aus der Südpfalz und sogar aus Frankreich, wenn in Karlsruhe das französische Repertoire gespielt wird wie „Lakmé“, „Hamlet“ und „Faust“. So steht das Haus auch in der Besucherstatistik glänzend da, und man ist neugierig, wie „der Neue“, Achim Thorwald, dem Spielplan weiter prägnante Konturen verleihen wird.

Nike Luber

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner