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Berichte

Triumph und Irrfahrt

„Les Troyens“ von Berlioz in Stuttgart · Von Frieder Reininghaus

Les Troyens“ darf als französisches Gegenstück zu Wagners „Götterdämmerung“ genommen werden. Allerdings war Berlioz dem deutschen Kollegen nicht nur zeitlich um ein paar Nasenlängen voraus, als er den Schluss des großen Homer‘schen Epos vom Untergang Trojas in Musik brachte und in fast hybrider Weise mit der „Aeneis“ des imperial-römischen Hofpoeten Vergil verknüpfte – mit einem schrillen Staatsgründungsmythos. Lange hielten die Theaterdirektoren diesen großen Bogen für so überspannt, dass sie die ganze Doppel-Oper nicht präsentieren wollten. Von den fünf Akten und wenigstens fünf Stunden Musik der Berlioz’schen „Trojaner“ wurden daher zunächst nur Häppchen auf die Bühne gehievt – die ersten beiden Aufzüge 1863 in Paris, eine fünfaktive Fassung erstmals 1913 in Stuttgart (allerdings stark gekürzt).

 
Teil Eins der Trojaner mit dem Opernchor Stuttgart. Foto: A.T. Schaefer
 

Teil Eins der „Trojaner“ mit dem Opernchor Stuttgart. Foto: A.T. Schaefer

 

Vom entschiedenen Willen, ein Ganzes aus einem Guss zu präsentieren, mit der Architektur des Werks aber auch zugleich die musikalischen Pointierungen vorzuführen, war Manfred Honecks Einstand als GMD an der Stuttgarter Staatsoper bestimmt. Honeck konnte sich mit einer glänzenden Leistung profilieren: so gut wie makellos lotete das Staatsorchester unter seinen Händen die auskomponierten Schrecken der Geschichte aus. Es blieb der ehernen Gewalt so wenig schuldig wie der hartmetallischen Schärfe des Bläsersatzes. Dann aber entfalteten die Streicher mit nuancierten Lyrismen auch die ruhigeren Schönheiten der Berlioz‘schen Partitur, ließen Betörung und Verliebtheit erblühen, breiteten unter den tragenden Stimmen von Christiane Iven (Dido) und Ceri Williams (Anna) den Teppich der Sehnsucht aus. Das den Volksmassen zugemessene Riesenpensum bewältigte der erweiterte Chor mit Bravour, stimmlich wie in theatrale Bewegung versetzt: die überwältigenden Momente der Aufführung verdanken sich wesentlich dieser besonderen Leistung.

Joachim Schlömer präsentiert die Siegesfeier der Töchter und Söhne Ilions nach zehnjähriger Belagerung als spontane Party im modernen Wüstenkrieg, aggressiv grellen Plakatfarben und Kampfanzügen nach dem Design von Jens Kilian und Nicole von Graevenitz. Im gelben Höhleneingang oder Unterstand kommt Barbara Schneider-Hof-stetter, die rechthaberische Nervensäge Kassandra, als Barbie-Puppe mit flachsblonden langen Haaren zum Einsatz. Ein stark bepacktes altes Militär-Motorrad vertritt das Trojanische Pferd. Das macht nicht nur vordergründig keinen Sinn, sondern erweist sich auch hinterhältig nicht eben als Geniestreich des Regietheaters. Es ist schlicht und einfach Krampf – geschuldet wahrscheinlich einer allzu flachen Vorstellung von „Originalität“. Nicht minder der technizistische Schnickschnack von Stablampen: überdimensionale Fühler leuchten den Schrecken des Untergangs aus.

Die drei Karthago-Akte finden in jener Art Architektur statt, wie sie vor drei Jahrzehnten für teure Stuttgarter Einrichtungshäuser gewählt wurde: Hinter geschwungener Glasfront links der Salon der Dido mit Flügel (weiß, Schleiflack), rechts ihr verwais-tes Ehebett; darüber die Tribünen für die emsigen gleichgeschalteten Reporter und Korrespondenten, die die Illusion verbreiten, sie könnten und würden „hautnah“ aus der Macht-Zentrale berichten. Doch das ist eine freie Ableitung aus der Handlung, die ja in großen Melodiebögen gleichsam die „realen“ Gefühle der Protagonisten nachzeichnet.
Eine beschwerliche Hypothek der Stuttgarter Produktion ist deren Gewichtsklasse: Mit Ausnahme des eher leichtgewichtigen Tenors Ki-Chun Park, dem Äneas, stehen korpulente Protagonisten herum – überwiegend uninszeniert. Sie können sich aufs Singen konzentrieren, was sie auch respektabel tun. Um so quirliger fällt der Einsatz von zwei Tänzerinnen und einem Tänzer aus. Diese dürfen, schwarz maskiert, die Herausforderung des Karthager-Reichs durch „ekelhafte Afrikaner“ vortanzen, als Assistentinnen oder Schamanen die Szene „auflockern“, am Ende mit aufdringlich kantigen Gesten sogar Didos Anlauf zum selbst bestimmten Liebestod begleiten. Konsistenter wird durch solche choreografische Überformung die Inszenierung insgesamt nicht. Sie scheiterte an den Übersetzungsschwierigkeiten der politischen Dimensionen des Werks in die Gegenwart, suchte ersatzweise mit vielfältigen Assoziationen zu punkten. Seinen drei Salzburger „Irrfahrten“ (Trilogie im Rahmen des Salzburger Opernprojekts), die ihrem Namen alle Ehre machten, schloss Schlömer in Stuttgart eine vierte an: Mehr oder minder heitere Zeitstrategien eines fahrigen Erben, der seine Unverbindlichkeit aufs Verbindlichste zu präsentieren versteht.

Frieder Reininghaus


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