Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


 

Aktuelle Ausgabe

Editorial

Kulturpolitik
Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Große Oper für die Kleinen
Die Geschichte der Kinderoper in Deutschland
Türen in die Vergangenheit
Das Tanzarchiv Leipzig wird 50 Jahre alt

Portrait
Erinnerung an jüdische Mitbürger
Das Stadttheater Fürth im Porträt
Eine Fülle von Aufgaben
Der Magdeburger Chordirektor Martin Wagner

Berichte
Meisterhafter Geschichtenerzähler
Stuttgarter Cranko-Hommage zum 80. Geburtstag
Die Entdeckung des Doppelgängers
„Eugen Onegin“ an der Bayerischen Staatsoper
Zeitgemäß: Geschichte als Show
Brechts und Dessaus „Lukullus“ an der Komischen Oper
Triumph und Irrfahrt
„Les Troyens“ von Berlioz in Stuttgart

VdO-Nachrichten
Nachrichten
Arbeitskämpfe in New-York, Paris... – ... und Gespräche bei der GEMA – Renten der DKV Bund und der VddB – Arbeitslosenbeitrag gesenkt – Wir gratulieren – Die VdO trauert um Michael Kühner
Mitgliedschaft zahlt sich aus
Ein Überblick über die Leistungen der VdO
Im Labyrinth der Tarife
Der Versuch eines Blicks durch den Dschungel

Service
Schlagzeilen
Namen und Fakten
Oper und Tanz im TV
Stellenmarkt
Spielpläne 2007/2008
Festspielvorschau

 

Berichte

Meisterhafter Geschichtenerzähler

Stuttgarter Cranko-Hommage zum 80. Geburtstag · Von Vesna Mlakar

Vom Publikum geliebt, von seinen Tänzern verehrt, von führenden Compagnien in aller Welt getanzt: Nur 46 Lebensjahre waren John Cranko vergönnt, um sich vom jungen Tanzeleven im südafrikanischen Kapstadt zum wohl bedeutendsten Choreografen der seinerzeitigen Bundesrepublik Deutschland zu mausern. Mit Meisterwerken wie „Romeo und Julia“ (1962), „Onegin“ (1965) und „Der Widerspenstigen Zähmung“ (1969) verhalf er dem Handlungsballett zu neuem Stellenwert, führte Stuttgarts Compagnie zu internationalem Ansehen und formte eine Riege von Tänzerpersönlichkeiten, die heute selbst an der Spitze wichtiger Ensembles stehen. Als ihn der Tod völlig unerwartet am 26. Juni 1973 nach einer USA-Tournee auf dem Rückflug von New York nach Stuttgart ereilte, war die damalige Ballettwelt erschüttert.

 
Initialen R.B.M.E. mit Sue Jin Kang und Douglas Lee. Foto: Ulrich Beuttenmüller
 

„Initialen R.B.M.E.“ mit Sue Jin Kang und Douglas Lee. Foto: Ulrich Beuttenmüller

 

Das Stuttgarter Ballett widmete Cranko aus Anlass seines 80. Geburtstags ein ganzes Festival mit breitgefächerter Werkschau, verschiedenen Kooperationen und reich bebilderter Jubiläumsschrift „Cranko Moves Stuttgart“. Nach dem Dreiteiler „Cranko Moves 1“ mit den Stücken „Brouillards“ (1970), „Présence“ (1968) und „Jeu de cartes“ (1965) und vor einer mit internationalen Gastsolisten prominent besetzten Cranko-Ballettgala hob sich Intendant Reid Anderson den Fortsetzungsabend „Cranko Moves 2“ als finalen Höhepunkt auf. Denn auch noch so kunstvoll verpackte Happen rund um Crankos ergreifende Pas de deux können niemals das Erleben eines vollständigen Handlungsballetts ersetzen.

Umso bedauerlicher war es, dass ausgerechnet die Wiederaufnahme von Crankos außergewöhnlichem Spätwerk „Initialen R.B.M.E.“ nicht so recht gelang. Der jungen, konkurrenzgestählten Tänzergeneration von heute mögen ja Gefühle weniger vertraut sein, die die Cranko-Ära auszeichneten: Freundschaft, Kameradschaft, Gemeinschaft. Genau diese liegen aber sowohl der Musik – Johannes Brahms’ Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur – als auch der Choreografie in vier Sätzen zu Grunde: Nicht die Perfektion des Einzelnen, sondern die Qualität der Gruppe im Dialog mit dem Solisten beziehungsweise dem führenden Paar, also das Zusammenspiel aller, ihre Bewegungsharmonie hätte dem an sich abstrakten Ballett Tiefe verleihen sollen.

Der Begründer des so genannten „Stuttgarter Ballettwunders“ wollte bei der Uraufführung am 19. Januar 1972, wenige Monate vor seinem Tod, eine Geschichte erzählen: nämlich die von den vier Freunden und ihm treu ergebenen Solisten Richard Cragun, Birgit Keil, Márcia Haydée und Egon Madsen. Passend zu ihrer tänzerischen Kunstfertigkeit und ihrem Charakter vertraute er jedem einen Satz an und bündelte die Initialen ihrer Vornamen im Titel. So schenkte er seinen unverwechselbaren Interpreten ein in zweifacher Hinsicht sehr persönliches Werk, das mit technischen Schwierigkeiten nur so gespickt ist. Beim Stuttgarter Ballett der Gegenwart darf daran noch gefeilt werden – ebenso wie an der Ausdruckskraft. Dass auch andere Tänzer die Rollen zu tragen vermögen, wurde dennoch bewiesen – allen voran von Sue Jin Kang und Douglas Lee im vielleicht berührendsten, melancholischen dritten Satz. Auch in der von Reid Anderson und der Choreologin Georgette Tsinguirides auf eine Stunde gestrafften Neuinszenierung von Crankos letztem großen Abendfüller „Carmen“ (Premiere: 28. Februar 1971) glänzte Stuttgarts Erste Solistin, Kammertänzerin Sue Jin Kang. Als veritable Nachfolgerin Márcia Haydées (die Carmen der Uraufführung) meisterte sie die Verwandlung von der elegischen Ballerina des ersten Teils, die nach Momenten der Zweisamkeit getrennte Wege von ihrem Partner geht, zur feurigen Femme fatale aus Prosper Mérimées Novelle. Zudem sind Wolfgang Fortners für Crankos Ballettversion komponierte „Bizet-Collagen“ absolut packend.

In nur sieben Bildern schildert Cranko Carmens tragische Verstrickung, an deren Ende Don José – degradiert, ihr verfallen, zum Landstreicher und Mörder seines Hauptmanns verkommen – die Ungebändigte hinterrücks niedersticht. Es ist eine Verzweiflungstat, der ein grandioses, sich von Enttäuschung über Wut zu Trauer und Rachegedanken steigerndes Solo Don Josés vorangeht. Hier endlich kann Marijn Rademaker mit voller Power den verletzten Gefühlen seiner Figur freien Lauf lassen und sprunggewaltig Ausdruck verleihen: ein choreografisches wie emotionales Feuerwerk, das sich in dieser geglückt-kompakten Neufassung beim Liebesduett im vierten Bild entzündet und vom Stierkämpfer (perfekter Macho: Jason Reilly) bis zum fatalen Ende am Lodern gehalten wird. So faszinierend kann Ballettgeschichte sein!

Vesna Mlakar

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner