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Alles, was Recht ist

Tarifreform

Stefan Meuschel und Rolf Bolwin zum neuen Tarifvertrag

Im Juli dieses Jahres veröffentlichte „Die Deutsche Bühne“ ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der VdO, Stefan Meuschel, und dem Geschäftsführenden Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin, über den neuen Tarifvertrag Chor/Tanz, der die Tarifsituation der Theater deutlich reformiert hat. „Oper & Tanz“ druckt das von Detlef Brandenburg geführte Interview in Auszügen ab.

Die Deutsche Bühne: Herr Bolwin, Herr Meuschel, der Tarifvertrag für Chor und Tanz ist endlich abgeschlossen. Was bringt er den Arbeitgebern, also den Intendanten und Trägern? Und was den Arbeitnehmern?
Rolf Bolwin: Der entscheidende Punkt ist der, dass mit diesem Tarifvertrag erstmals nach dem Krieg alle Probenzeiten und Ruhezeiten für die Kollektive – sprich: für Orchester, Chor und Ballett – komplett aufeinander abgestimmt sind. Die Verlängerung der Probenzeiten für den Bereich der Endproben, die wir bereits vor längerer Zeit mit der Deutschen Orchestervereinigung vereinbart hatten, gilt jetzt auch für Chor und Ballett. Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass wir ein paar Zulagen aus dem Tarifvertrag herausgenommen haben, so dass jetzt mehr Dinge ohne Zulage möglich sind. Wir haben dafür im Gegenzug die Grundgage um einen gewissen Betrag erhöht. Aber der ganz große Fortschritt besteht eben auch darin, dass hier zwei Tarifwerke zusammengefasst werden konnten. Und das ist ja ein erster Schritt in Richtung auf einen Gesamttarifvertrag für den künstlerischen Bereich – mit Ausnahme des Orchesters allerdings, denn das wird auf Grund seiner spezifischen Bedürfnisse immer einen Sonderstatus haben.
Stefan Meuschel: Der wichtigste Punkt ist für mich der, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer bewiesen haben, dass sie die Kraft haben, einen neuen Flächentarifvertrag überhaupt wieder zu Stande zu bringen. Wenn dieser Tarifvertrag jetzt einerseits von einigen Arbeitnehmern und andererseits auch von einigen Theaterdirektoren kritisiert wird – na, dann kann das doch nur bedeuten, dass der übliche gute Kompromiss gelungen ist, nämlich ein für beide Seiten vertretbares Ergebnis.

 
 

Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter im Gespräch: Bolwin und Meuschel. Foto: Hartmann

 

DB: Sind denn bei allen Kompromissen auch praktikable Lösungen herausgekommen?
Meuschel: Ich glaube, der Tarifvertrag Chor/Tanz ist einer der modernsten Tarifverträge, die man sich überhaupt vorstellen kann, weil er in einem ganz erstaunlichen Maß Verantwortung in den Betrieb hinein verlagert. Wir haben dem Chorvorstand und dem Ballettgruppen-Vorstand erhebliche betriebliche Kompetenzen eingeräumt: Die Proben können verlängert, die Ruhezeiten verkürzt werden – es geht sogar so weit, dass bestimmte Vergütungsbestandteile in Freizeit umgewandelt werden können. Wir haben da ein großes Maß an Flexibilisierung erreicht, das natürlich an den Häusern einen gewissen konsensualen Goodwill voraussetzt. (...)
Bolwin: Richtig, und das entspricht moderner Tarifpolitik. (...) Die Tarifpartner haben mit diesem Vertrag bewiesen, dass sie in der Lage sind, in einer sehr schwierigen Situation einen solchen Vertrag zu Stande zu bringen. (...)

DB: Der einheitliche Theatertarifvertrag geistert ja seit Jahren durch die Debatten. Aber der Weg dahin führt über ein kaum zu nehmendes Hindernis: Die Spaltung der Theatermitarbeiter in künstlerisches und nichtkünstlerisches Personal.
Meuschel: Das ist keine Spaltung, das sind zwei Tarifsysteme, die sich völlig unabhängig voneinander historisch entwickelt haben. Aber Sie haben insoweit Recht: Zunächst sollte man das Ziel verfolgen, einen solchen Theatertarifvertrag im darstellerischen Bereich und in jenen Bereichen der Technik zu realisieren, die überwiegend durch künstlerische Arbeit geprägt sind. In dem Bereich, der derzeit dem Tarifrecht des Öffentlichen Dienstes unterliegt – und natürlich auch im Bereich des Tarifvertrages für Kulturorchester (TVK) – muss man wohl ein großes Fragezeichen setzen.(...)

DB: Was spricht eigentlich dagegen, auch die jetzt dem Öffentlichen Dienst zugehörigen Mitarbeiter in den Tarifvertrag Theater hineinzunehmen? So viele sind es doch nicht, gemessen an der Mitgliederzahl solcher Großgewerkschaften, die sich ja nun zu einem wahren Mammutgebilde, der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zusammengetan haben.
Meuschel: So wenige sind das gar nicht: rund 16.000. Theoretisch spricht nichts dagegen, sie in einen einheitlichen Theatertarifvertrag hineinzunehmen, aber praktisch vieles: Selbst wenn Länder und Kommunen ihre Tarifkompetenz zugunsten des Bühnenvereins verlagern würden und ver.di als Tarifpartner unmittelbar aufträte, bleiben die materiellen und strukturellen Unterschiede erhalten, die sich gegen die Interessen und gegen den Willen der Mitglieder nicht einfach einebnen ließen. Und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft wird sowohl aus ihrem Selbstverständnis heraus als auch aufgrund der ausgeprägten kulturellen Tradition von DAG, ÖTV und IG Druck und Papier keinerlei Neigung verspüren, den klassischen Kulturbereich aufzugeben – hoffen wir zumindest.
Bolwin: Ich finde, man darf das Thema Einheitlichkeit auch nicht zu hoch hängen. Natürlich wäre ein einheitlicher Theatertarifvertrag wünschenswert. Viel entscheidender ist aber, ob das, was drinsteht, denn praktikabel ist – ob es nun in einem Vertrag steht oder in mehreren. Einheitlichkeit wird da wirklich manchmal auch zum Fetisch. Ziel muss vielmehr sein, dass wir mit ver.di darüber reden, was sich am Theater im Bereich des nichtkünstlerischen Personals ändern muss.

DB: Wie schätzen Sie die Chancen des Bühnenvereins bei solchen Gesprächen ein? Schon gegenüber DAG und ÖTV war ja der Bühnenverein ein Zwerg. Nun ist mit der ver.di ein Riese entstanden.
Bolwin: Da handelt ja der Bühnenverein nicht alleine. Hinter uns stehen die Städte und Länder und damit die Arbeitgebervertretungen des Öffentlichen Dienstes. Bewegen kann man nur gemeinsam etwas – und meiner Ansicht nach auch nur durch Überzeugungsarbeit und nicht durch Frontstellungen. (...)
Meuschel: Man darf nicht vergessen, dass ver.di sich mitglieds- und branchennäher strukturieren will. Das ist eine Konsequenz aus dem Mitgliederverlust der Großgewerkschaften, den man ja nicht übersehen kann. Da wird es dann im „Fachbereich 8“ eine eigene Fachgruppe „Darstellende Kunst“ geben. Und da werden – anders als vorher – die ÖTV-Kollegen der Technik, die DAG-Kollegen der Verwaltung und die IG-Medien-Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen des Theaters gemeinsam ihre Sache vertreten.

DB: Das heißt: Sie sehen in der Gründung von ver.di auch Chancen, in den Tarifgesprächen wieder näher an die genuinen Theaterprobleme heranzukommen?
Bolwin: Das ist sicher richtig, soweit es um den Bereich des nichtkünstlerischen Personals geht. (...) Beim künstlerischen Personal sage ich ganz offen, dass wir als Arbeitgeberverband ein ganz großes Interesse daran haben, dass die Künstlergewerkschaften ihre Selbsttändigkeit behalten und weiter eine eigenständige Tarifpolitik entwickeln, statt in den mehr auf den Öffentlichen Dienst ausgerichteten Positionierungen von ver.di aufzugehen. Wir brauchen als Partner solche Gewerkschaften, die ihre Positionen aus der unmittelbaren Kenntnis der künstlerischen Prozesse heraus formulieren.

DB: Nun sind unter dem Spardruck der öffentlichen Haushalte die Tarifverträge ins Fadenkreuz der Theaterreformer geraten: Die Theater sind angeblich so teuer, weil die Tarifverträge so unflexibel sind. Stimmt das? Oder müsste man da nicht auch über gesetzlich geregelte Arbeitszeiten reden – und vor allem über Hausbräuche?
Meuschel: Das ist völlig richtig: Viele Leute glauben, dass die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes, der Personalvertretungsgesetze, des Arbeitszeitgesetzes mit seinen nächtlichen Ruhezeiten – dass alle diese Regelungen böse Dinge seien, die im Tarifvertrag stehen. Das ist natürlich falsch. Auch die Betriebsstätte Theater kann sich nicht einfach aus den gesetzlichen Regelungen verabschieden.
Bolwin: Im künstlerischen Bereich bestehen in der Tat sehr viele Möglichkeiten zur flexiblen Gestaltung, und die werden auch genutzt – mit der Konsequenz von Einsparungen im personellen Bereich. In den letzten fünf Jahren sind immerhin 6.000 Arbeitsplätze am Theater abgebaut worden. Ein Problem sind in der Tat die Hausbräuche – da hat man sich mancherorts in einer Weise gebunden, dass die schönsten tariflichen Änderungen nicht greifen. (...)

DB: Unter dem Druck der Finanzen ventilieren die Theaterträger ja mancherorts die schöne Idee: Wir gehen aus dem Bühnenverein raus, da brauchen wir uns nicht mehr an die Tarifverträge zu halten und sind die Gewerkschaften los.
Bolwin: Das ist juristisch erstens völliger Unsinn. Und es ist zweitens auch niemandem damit geholfen. Was der Tarifvertrag nicht regelt, wird vielfach durch gesetzliche Bestimmungen geregelt, die noch komplizierter sind. Und was dann noch offen bleibt, das muss ich im Betrieb mit dem Personalrat oder dem Betriebsrat regeln. Wir würden eine hochkomplizierte Verhandlungsmaterie komplett in die Betriebe verlagern. Damit werden die Häuser völlig überfordert sein.
Meuschel: Zunächst einmal wirkt jeder Tarifvertrag nach – das heißt: Er gilt in jedem Fall so lange weiter, bis ein neuer Haustarifvertrag ausgehandelt ist. Und diesen Haustarifvertrag kann der Theaterträger nicht etwa mit dem Betriebsrat, dem Personalrat, dem Chorvorstand oder dem Orchestervorstand abschließen. Das Gesetz schreibt zwingend vor, dass typische Tarifregelungen – also zum Beispiel Arbeitszeit und Arbeitslohn – mit den Gewerkschaften ausgehandelt werden. Und da sitzt man dann genau den gleichen Leuten gegenüber, mit denen man es auch vorher zu tun hatte.

DB: Der Spardruck der öffentlichen Hand hat bestimmte Frontstellungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern am Theater entspannt. Dieser Tarifvertrag Chor/Tanz ist ja auch Ausdruck eines gemeinsamen Engagements für das Theater in schwierigen Zeiten. Stattdessen brechen nun in den einzelnen Theatern neue Fronten auf. In Bonn, wo der gesamte Kulturbereich aufgrund des Wegfalls der Hauptstadtförderung extrem unter Druck steht, hat gerade der Orchesterdirektor seinen Bereich auf Kosten aller anderen Sparten öffentlich gesund gerechnet.
Meuschel: Es ist natürlich letztlich immer eine Entscheidung der Kommune, wie sie ihr Theater gestalten will. Und da ist es unstrittig, dass die Kommunen offenbar glauben, dass sie drei Dinge auf jeden Fall brauchen: Einen Friedhof, eine Müllabfuhr und ein Orchester. Das Orchester gilt nun mal als der Ausweis der kommunalen Tätigkeit – ob zu Recht oder zu Unrecht, darüber kann man lange streiten. Natürlich gibt es an jedem Theater einen gewissen Sparten-Egoismus. Aber wenn dann die Konstellation so wie in Bonn ist, kann man nur darauf hoffen, dass das Orchester irgendwann einsieht, dass auch seine Situation ohne ein vollwertiges Musiktheater kritisch wird. Denn irgendwann wird die Kommune fragen, ob denn das Orchester ohne den Opernbetrieb überhaupt noch genügend Aufgaben hat, um seine Existenz zu rechtfertigen. Umgekehrt gibt es an einigen Häusern in verschiedenen Betriebsteilen massive Kritik am Orchester, das Privilegien hat, zugunsten derer andere Betriebsangehörige unter dem Druck der Verhältnisse verzichten sollen. Einen solchen Konflikt hatten wir gerade in Greifswald-Stralsund.
Bolwin: Man hat schon manchmal den Eindruck, dass wir, wenn die Entwicklung so weiter geht, eines Tages in Deutschland etliche unterbeschäftigte Orchester haben, weil die Opernhäuser, an denen sie früher mal ihren Dienst versehen haben, längst geschlossen sind – überspitzt formuliert. Wir werden im Verlauf bevorstehender Spardiskussionen vor allem in den neuen Bundesländern sehr darauf achten müssen, dass da die Breite des Angebotes erhalten bleibt. Nur über eines muss man sich klar sein: In dem Moment, in dem wir irgendwo eine harte Spardiskussion bekommen, ist es ganz klar, dass Verteilungskämpfe zwischen den Gruppen am Theater ausbrechen. Wobei das, was in Bonn vorgesehen ist, sicher exzeptionell ist, weil die nötigen Einschnitte wirklich beispiellos sind. Natürlich bricht da sofort der Kampf am Theater aus – und genau das, diese Störung des Betriebs und die daraus resultierenden Reibungsverluste, das wird bei solchen Sparkonzepten viel zu wenig berücksichtigt. Die Träger sollten das wirklich sehr genau bedenken. Da sollen doch Menschen gemeinsam ein künstlerisches Projekt auf die Beine bringen!

 

 

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