Die nächste und
augenscheinlich entscheidende Bataille im Feldzug gegen den Kulturauftrag
der Landesrundfunkanstalten ist
also eröffnet. Staatsminister Johannes Beermann aus Dresden
agiert als Mentor der Kampag-ne, die unter dem bieder klingenden
Namen „Arbeitsgruppe Beitragsstabilität“ operiert.
Mit Rückendeckung der Ministerpräsidenten fahndet die
Arbeitsgruppe nach Einsparmöglichkeiten beim öffentlich-rechtlichen
Rundfunk. Damit soll nach offizieller Lesart die Akzeptanz der
Bevölkerung für die Neuregelung der Rundfunkbeiträge
auf der Basis einer pauschalen Haushaltsabgabe gesichert werden.
Allerdings obliegt es durchaus nicht den Ländern, sondern
der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF),
die Gebührenhöhe zu kalkulieren. Eine Einflussnahme der
Länder ist nur auf indirektem Weg über die grundsätzliche
Aufgabenbestimmung der Sendeanstalten erreichbar. Gerade diese
Konstellation ist es aber, die das ganze Unterfangen für die
Politik so besonders reizvoll macht; kann sie sich doch in der
ungewöhnlichen Rolle eines Schutzherrn über die Geldbeutel
der Wähler gerieren, während sie zugleich das Profil
der Rundfunkanstalten nach ihren Präferenzen neu zusammenbastelt.
In einem von Beermann verfassten „Zielpapier“ wird
die Arbeitsgruppe denn auch als „Katalysator für eine
Neujustierung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags“ apostrophiert. Der Kultur geht‘s an den Kragen
Über Chöre, Ballette und Orchester schweigt der gewiefte Taktiker aus Dresden in seinem „Zielpapier“. Sobald man aber die Interview-Verlautbarungen Beermanns aus den letzten Monaten zusammenlegt und gegenüberstellt, ergibt sich ein klares und eindeutiges Ergebnis: Sie nehmen beharrlich die Rudimente kultureller und künstlerischer Vielfalt im öffentlichen Funk und Fernsehen ins Visier. Wenn Beermann im Interview mit dem Autorenblog „Carta“ fragt: „Gehört die Unterhaltung von Balletten und (Blas-)Orchestern zum Auftrag einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt?“, kann dies nur bedeuten, dass das MDR-Fernsehballett als einzig verbliebene Einrichtung dieser Art in Deutschland für ihn zur Disposition steht. Voller Übereifer bekämpft Beermann ja sogar Ensembles, die nur in seiner Phantasie existieren, wie jene rein imaginäre Big Band des MDR. Dass solche blamablen fachlichen Entgleisungen folgenlos bleiben, ist ein Beleg für die strukturelle kulturpolitische Ignoranz und Inkompetenz im ganzen Land, wodurch Politiker vom Schlage Beermanns erst richtig gefährlich werden. Im überparteilichen Konsens mit dem SPD-Medienpolitiker und rheinland-pfälzischen Staatskanzleichef Martin Stadelmaier wirbt Beermann im Magazin „promedia“ für eine Dezimierung jener Sender, „die sich fast oder ausschließlich mit Kultur beschäftigen“. Gewiss leisteten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten viel für die Fortentwicklung und Weitergabe zeitgenössischer Kunst und Musik, konzediert Beermann im „promedia“-Gespräch, um dann im gleichen Atemzug zu sticheln, „ob es weiterhin die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein kann, durch die Rundfunkabgabe Orchester und Chöre zu finanzieren.“ So widersinnig kann nur jemand reden, der die Menschen für dumm verkaufen möchte oder selber einsichtslos ist. Sollte sich die „AG Beitragsstabilität“ derartige Ratschläge zu eigen machen und damit bei den Ministerpräsidenten Gehör finden, wird dies den Rundfunkchören den Todesstoß versetzen – mit unheilvollen Folgen für die Neue Musik, die ästhetische Bildung und das gesamte Chorwesen in Deutschland. Kein DiskussionsbedarfDa verwundert es schon, wenn bisher nur eine sehr verhaltene Debatte über die Drohungen aus Dresden eingesetzt hat. Vielleicht gehört auch dies zum Kalkül des Staatsministers, der im rbb-Interview mit Unschuldsmiene beschwichtigt: „Ich denke (...) ohne Diskussionsverbote und ohne Angst sollten wir das in einer offenen Gesellschaft offen diskutieren.“ Tatsächlich sieht Beermann überhaupt keinen gesellschaftlichen Diskussionsbedarf, wie aus dem von ihm unterzeichneten „Zielpapier“ unmissverständlich hervorgeht: „Das Volk gibt seine Entscheidungen über Abstimmungen und Wahlen bekannt. Repräsentiert wird das Volk von den Landtagen, gehandelt wird durch die Regierungen. Damit sind es die Regierungen, die den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ihre Aufgaben zuweisen.“ Gibt es einen Konnex zwischen diesem Defizit an transparenter demokratischer Streitkultur und der Unsensibilität gegenüber der singulären Bedeutung von Kunst, Kultur und Musik für eine freie Gesellschaft? Impliziert die bis zur Absonderung baren Unfugs übersteigerte Ranküne gegen eine pluralistische Präsenz der Künste im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht auch per se ein Gran Feindseligkeit gegenüber der „offenen Gesellschaft“? Durch das Procedere der „AG Beitragsstabilität“ nach Art eines Politikverständnisses, wie es spätestens seit „Stuttgart 21“ in der Bevölkerung über keinerlei Kredit mehr verfügt, sind den Spekulationen, Mutmaßungen und Irreführungen Tür und Tor geöffnet – was wiederum die Diskreditierung jedweder Kritik als „unbegründet“ leicht macht. Keineswegs nur eine Spekulation ist es hingegen, dass sich Beermann für die Einziehung einer neuen Medienabgabe stark macht. Um die „wunderbare (...) Kabellandschaft, die wir in Sachsen haben“, zu erhalten, „werden wir uns (...) auf Bundesebene um einen Kabelgroschen für kleine Kabelbetreiber bemühen“, stellte Beermann unlängst in einem Gespräch mit dem Onlinemedium „medienMITTWEIDA“ in Aussicht. Das ist eine wahrhaft kompromittierende Ankündigung, die Beermann in seinem Engagement für die Beitragsstabilität wie einen Falschspieler bloßstellt. Christian Tepe |
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