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Landesbühnen Sachsen:
Offener Brief der
Künstlergewerkschaften
In einem offenen Brief haben sich die Künstlergewerkschaften
VdO, DOV und GDBA sowie die ver.di an die sächsische Ministerin
für Wissenschaft und Kunst, Sabine von Schorlemer gewandt.
Nach wie vor geht es um die Privatisierung der Landesbühnen
Sachsen. Die Gewerkschaften haben die Ministerin mehrfach aufgefordert,
in Tarifverhandlungen über einen Personalüberleitungsvertrag
einzutreten. In einem Schreiben vom 25. Juli hatte die Ministerin
ausrichten lassen, dass „keine Veranlassung zur Aufnahme
entsprechender Tarifverhandlungen für einen Personalüberleitungstarifvertrag
gesehen“ werde. „Mit § 613 a BGB hat der Gesetzgeber
ein die Interessen des Arbeitgebers aber insbesondere auch der
Arbeitnehmer wahrende und ausgewogene Regelung geschaffen. Damit
kommt der Vorschrift eine hinreichende Schutzfunktion zu“,
heißt es in dem vom Leiter der Abteilung Kunst, Thomas Früh,
unterschriebenen Brief. Vergessen wurde dabei offenbar, dass die
Regelung des § 613 a BGB lediglich einen gesetzlichen Mindestschutz
garantiert und nur für ein Jahr gilt. Im Anschluss kann die
NOVUM GmbH, die die Landesbühnen übernehmen soll, Kündigungen
nach Herzenslust aussprechen. In ihrem offenen Brief wenden sich
die Künstlervertreter auch gegen die offenbar geplante weitere
Reduzierung der Musikerstellen. Noch im Frühjahr hatte das
Ministerium auf eine Meldung in der Zeitschrift „Oper & Tanz“ über
die geplante Kündigung von Musikerstellen mit der Aussage
reagiert, es seien keine Musikerstellen gekündigt worden.
Es sei auch noch nicht klar, ob überhaupt ein Ensemblemitglied
seinen Arbeitsplatz verlieren werde. Wenn eine „solidarische
Haltung unter den Musikern“ erzielt werden könne, sei
eine Übernahme sämtlicher angestellter Orchestermitglieder
möglich. Wie auch immer man den Begriff „solidarisch“ in
diesem Zusammenhang interpretieren mag: Fakt ist, dass schon vor
Beginn irgendwelcher Verhandlungen nun doch mindestens 18 Musiker
sofort gehen müssen. Was in einem Jahr passiert, wenn es keinen
Personalüberleitungsvertrag geben wird, steht in den Sternen.
Am Beispiel Metropol Theater in Berlin hat sich in einer entsprechenden
Situation gezeigt, dass die Insolvenz sehr schnell zur Abwicklung
des gesamten Betriebs und Entlassung sämtlicher Mitarbeiter
führen kann. Genau deshalb haben sich mittlerweile in solchen
Privatisierungssituationen Personalüberleitungsverträge
eingebürgert, durch die sowohl der Erhalt des arbeitsrechtlichen
Status der Beschäftigten als auch eine Rückübernahmeverpflichtung
des abgebenden öffentlichen Trägers gewährleistet
wird.
Warum dies im Fall der Landesbühnen Sachsen nicht gelten soll – diese
Frage hat die Ministerin bislang nicht beantwortet.
GDBA ·DOV · VdO ·ver.di
Sächsisches Staatsministeriumfür Wissenschaft und Kunst
Frau Ministerin Prof. Dr. Dr. Sabine von Schorlemer
Postfach 10 09 20
01079 Dresden
Berlin, den 1. September 2011
Offener Brief
Sehr geehrte Frau Professor von Schorlemer,
nachdem uns Herr Früh mit Schreiben vom 25. Juli 2011 informiert
hat, dass Sie, wie auch ihre Kollegen der Ressorts Justiz und
Finanzen, nicht bereit sind, im Rahmen der von Ihnen vorangetriebenen
Privatisierung der Landesbühnen Radebeul Verhandlungen über
einen Personalüberleitungsvertrag aufzunehmen, sehen wir
die Notwendigkeit, nochmals zu verdeutlichen, welche Folgen Ihre
Verweigerungshaltung für die Beschäftigten der Landesbühnen
hat.
Wie kann es sein, sehr verehrte Frau Staatsministerin,
dass Sie einem Personalüberleitungsvertrag bei der von Ihnen vorangetriebenen
Privatisierung der Landesbühnen keine Bedeutung zumessen
und glauben, die Regelungen nach § 613 a BGB seien ausreichend?
Sie lassen dabei folgende Fragen vollkommen
außer Acht:
1. Was geschieht, wenn der neue, private Rechtsträger unterfinanziert
ist und Insolvenzgefahr besteht?
2. Wird sich der neue, private Arbeitgeber den Arbeitgeberverbänden
anschließen und werden die Tarifverträge (TV-L, NV-Bühne
und TVK) auch weiterhin gelten?
3. Wird der neue, private Arbeitgeber mit dem Eintritt in die
Zusatzversorgungskassen für eine angemessene Altersvorsorge
der Kolleginnen und Kollegen sorgen?
Wie kann es sein, sehr verehrte Frau Staatsministerin,
dass Sie Mitarbeitern des Freistaats massive Gehaltskürzungen zumuten,
obwohl die Mitarbeiter zuallerletzt eine Verantwortung für
die von Ihnen betriebene Umstrukturierung der Landesbühnen
haben? Zu Allem Überfluss sollen die Mitarbeiter zunächst
entlassen werden, um einem Teil von ihnen demnächst eine
neue Stelle bei der NOVUM GmbH anzubieten.
Wie kann es sein, sehr verehrte Frau Staatsministerin,
dass sie den Rat zahlreicher Experten, die u.a. dem sächsischen Kultursenat
und der sächsischen Akademie der Künste angehören
und sich dem Erhalt der kulturellen musischen Infrastruktur im
Freistaat verpflichtet fühlen, schlicht ignorieren? Alle
Experten fordern übereinstimmend eine Anzahl von mindestens
86 Musikerstellen. Auch im Landkreis Meißen ist deutlich
das Bestreben zum Erhalt von mindestens 86 Musikerstellen zu
erkennen. Vergessen Sie bitte nicht, schon die Reduzierung auf
86 Stellen wird 18 Musikerinnen und Musiker ihren Arbeitsplatz
kosten. Sie beharren jedoch darauf, mindestens 32 hochspezialisierte
Kolleginnen und Kollegen in die sichere Arbeitslosigkeit zu entlassen.
Wie kann es sein, sehr verehrte Frau Staatsministerin,
dass durch den gesonderten Betrieb des Orchesters die große Choroper
zum Ausnahmefall im Repertoire der Landesbühnen, gleichzeitig
aber die Arbeit des Chores in als Sparte eigenständigen
Projekten ausgebaut werden soll? Es macht keinen Sinn, zum einen
eigenständige Projekte für den Chor anzustreben, zum
anderen aber auf die große Choroper als zentrale Ausdrucksform
dieses Kollektivs verzichten zu wollen. Welche Aufgaben für
die 28 Sängerinnen und Sänger sind dann tatsächlich
am Theater noch zu erfüllen, oder ist hier nicht vielmehr
wie beim Orchester ein massiver Stellenabbau geplant?
Als Tarifpartner haben wir in der Vergangenheit bei zahlreichen
Gelegenheiten bundesweit bewiesen, dass wir auch in schwierigsten
Situationen mit der Arbeitgeberseite stets zu Lösungen gefunden
haben, die für beide Seiten sachgerecht und zukunftsweisend
waren.
Sehr geehrte Frau Staatsministerin, hiermit
appellieren wir erneut an Sie, überdenken Sie ihre bisherige Haltung. Nehmen Sie
mit allen am Theater vertretenen Gewerkschaften Verhandlungen über
einen Personalüberleitungsvertrag auf. Akzeptieren Sie bitte
den Sachverstand der vielen Experten, die Ihnen in der Orchesterfrage
eine Planstellenzahl von mindestens 86 Orchestermusikern angeraten
haben. Damit könnten zumindest 80 % des bisherigen kulturellen
Angebotes auch für die Zukunft abgesichert und auch dem
Opernchor wie den Gesangssolisten eine Perspektive am Radebeuler
Haus eröffnet werden.
Mit freundlichen Grüßen,
gez. Andreas Masopust stellv. Geschäftsführer DOV
gez. Michael Kopp Fachbereichsleiter Medien, Kunst, Industrie,
ver.di
gez. Hans-Christoph Kliebes Präsident GDBA
gez. Gerrit Wedel stellv. Geschäftsführer VdO
Wir gratulieren
zum 35-jährigen VdO - Jubiläum
Annette Pilgrim, Gelsenkirchen - Musiktheater im Revier
zum 25-jährigen VdO - Jubiläum
Inken Lorenzen, Theater der Bundesstadt Bonn
Christopher Ryan, Staatstheater Darmstadt
Arletta Walczewski, Theater Hagen
Jutta Hackenberg, Niedersächsische Staatstheater Hannover
Maria Dries, Bühnen der Stadt Köln
Margriet Schlössels, Vereinigte Städtische Bühnen
Krefeld und Mönchengladbach
Johannes Egerer, Staatstheater Stuttgart
Vera Ilieva, Theater der Stadt Trier
zum 35-jährigen Bühnen-Jubiläum
Joan Campbell, Bayerische Staatsoper - Nationaltheater München
zum 25-jährigen Bühnen-Jubiläum
Rosemarie Arzt, Deutsche Oper Berlin
Achim Rikus, Theater Bremen
Babett-Jaqueline Bode, Städtische Theater Chemnitz
Katharina Vogel, Städtische Theater Chemnitz
Valentina Fira, Gerhart Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau
Klaus Brummer, Staatstheater Nürnberg
Annette Ostermeier, Staatstheater Nürnberg
Andrzej Szweda, Staatstheater Nürnberg
Herbert Brand, Mainfranken Theater Würzburg
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