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Strapaziöses Mantra
Barrie Kosky inszeniert Philip Glass’ „Echnaton“ an der Komischen Oper Berlin

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Berichte

Strapaziöses Mantra

Barrie Kosky inszeniert Philip Glass’ „Echnaton“ an der Komischen Oper Berlin

Klaus Umbach schrieb im Magazin „Der Spiegel“ nach der Uraufführung von „Echnaton“ 1984 am Württembergischen Staatstheater Stuttgart, diese damals jüngste Oper des amerikanischen Komponisten Philip Glass sei, wenn „nicht alles täuscht, wohl auch die Götterdämmerung der sogenannten Minimal Music, die Glass zu Weltruhm und nun in die Sackgasse geführt hat. (...) Schon der fast dreistündige Geschichtsunterricht, in dem Komponist-Librettist Glass mit oratorienhafter Feierlichkeit die 17-jährige Amtszeit und Reformpolitik des gottgleichen Echnaton abhandelt, hat weniger Action als Verdis ,Aida‘ und weniger Spannung als ‚Götter, Gräber und Gelehrte‘“.

Philip Glass, „Echnaton“ mit John Holiday in der Titelpartie und Mitgliedern des Ensembles der Komischen Oper Berlin. Foto: Monika Rittershaus

Philip Glass, „Echnaton“ mit John Holiday in der Titelpartie und Mitgliedern des Ensembles der Komischen Oper Berlin. Foto: Monika Rittershaus

Die Oper besteht aus elf Szenen, die allerdings keine lineare Handlung bilden. Die drei Akte zeichnen grob Aufstieg, Herrschaft und Niedergang des Pharaos nach. Am Schluss wird von einem Touristenführer Echnatons Fall aus der Perspektive einer modernen Reisegruppe erzählt, die die historischen ägyptischen Stätten besucht. Im Epilog singen Echnaton, Nofretete (Susan Zarrabi) und Königin Teje (Sarah Brady) aus dem Jenseits.

Regisseur Barrie Kosky verzichtet im Bildlichen erstaunlicherweise auf jeglichen Ägyptenbezug. Klaus Grünberg (Bühne und Licht) hat einen weißen Kasten als Bühnenbild gebaut, in den gelegentlich schwarze Wolken auf fahrbaren Hebekränen hineingeschoben werden. Raffiniert bewegte Lichtstimmungen und flirrende Projektionen brechen immer wieder in die monochrome Bühnenwelt ein. Der Dualismus Weiß-Schwarz beherrscht auch die Kostüme von Klaus Bruns. Nur Echnatons Kostüm sticht goldfarben hervor. John Holiday (Counter) verleiht dem Herrscher und Religionsgründer Würde und geschlechtliche Ambivalenz. Türen, an Kolonnaden erinnernde Schatten und weiße leuchtende Ballons dienen dem szenischen Spiel, das eher einer Choreografie oder einem Ritus gleicht denn eigentlicher Oper. Gelegentlich senkt sich die Beleuchtungsbatterie, und das ist dann auch schon das Äußerste an Dekoration.

Das Stück besteht aus aufeinander folgenden Hymnen, Gebeten, verinnerlichten Ansprachen und rhythmisch stark gegliederten, ausdrucksvollen Chorgesängen (Einstudierung: David Cavelius) in Endlosschleife. Es ist eine abstrakte, bild-, zeit- und ortlose Inszenierung. Chöre und Sänger führt Kosky gewohnt souverän. Ein Lob den Chorsolisten, der Komparserie, den Tänzern und Tänzerinnen der Komischen Oper sowie dem Vocalconsort Berlin. Kosky schafft starke Tableaus und eindrucksvolle Aktionen, befleißigt sich zudem einer durchgängigen Bewegungssprache, ähnlich der von Robert Wilson. Das ist schon eindrucksvoll, und doch wird der Abend lang, sehr lang.

Die um die Geigen reduzierte und wegen des dominierenden Holzes dunkel timbrierte Musik basiert auf einem gleichmäßig arpeggierten Dreiklang, Ton für Ton, gelegentlich bis zum Überdruss, unverändert wiederholt oder minimal variiert: ein Drehwurm, der anschwillt, auf das volle Orchester übergeht, dann wechselt der Akkord die Farbe, und so fort.

Jonathan Stockhammer tut sein Bestes, der Minimal Music von Glass Opulenz, Klangschönheit rhythmische Schärfe und satte, kraftvolle Prägnanz zu verleihen. Bewundernswert, wie das Orchester der Komischen Oper den Marathon dieser Aufführung mit Präzision, Kraft und Expressivität durchsteht. Eindrucksvoll sind auch die vielen Gesangssolisten.

Wie die Minimalmusik an sich, kann man auch Koskys Credo annehmen oder ablehnen: „Dass uns die Musik durch diese endlosen Zeitloops und Kreise etwas gibt, das tief mit der menschlichen Seele verbunden ist. Glass hat durch seine Beschäftigung mit Hindi- und Sufi-Musik etwas Entscheidendes gefunden: Die Musik ist fast wie ein Mantra. Echnaton ist eigentlich keine Oper, sondern ein gespieltes Mantra.“ – Aber ein strapaziöses.

Dieter David Scholz

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