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Kulturpolitik

Auf ein Wort mit...

Josef E. Köpplinger, Staatsintendant und Regisseur des Staatstheaters am Gärtnerplatz – Im Gespräch mit Wolf-Dieter Peter

Nach positiven Vorgesprächen 2010 entschloss sich Klagenfurts Intendant Josef E. Köpplinger, Münchens „anderes Opernhaus“ oder „Opéra comique“, das Staatstheater am Gärtnerplatz, ab 2012 zu übernehmen. Dabei war ihm klar annonciert, dass eine Generalsanierung anstand und er wohl zwei Jahre in andere Spielstätten ausweichen müsste. Bald wurde deutlich, dass die 16 Meter tiefe Baugrube ins alte Schwemmland der 800 Meter entfernten Isar zusätzliche Probleme aufwarf, dass die Erweiterungsankäufe hinter dem Bühnenhaus sich hinzogen und folglich das Haus 2015 zur 150-Jahr-Feier der „Volkstheater-Gründung“ nicht fertig sein würde. Insgesamt wurden es dann fünf Jahre, bis Köpplinger nun am 14. Oktober mit seiner Neuinszenierung von Lehárs „Die lustige Witwe“ das herrlich renovierte Haus wiedereröffnen kann. Für „Oper & Tanz“ sprach Wolf-Dieter Peter mit dem Intendanten.

Wolf-Dieter Peter: Sechzig Premieren in fünf Jahren an vielen Spielstätten, dazu Jugendarbeit, die wöchentliche „Minutemade“-Dancesoap; ungebrochener Publikumszuspruch, mehrfach Zusatzvorstellungen aufgrund der drängenden Nachfrage, lokale und überregionale Auszeichnungen – gilt da als Generalüberschrift: „Aus der Not eine Tugend gemacht“?

Im Gespräch: Josef E. Köpplinger (links) und Wolf-Dieter Peter. Foto: Beatrix Leser

Im Gespräch: Josef E. Köpplinger (links) und Wolf-Dieter Peter. Foto: Beatrix Leser

Josef E. Köpplinger: Mir wurde die Sanierung klar signalisiert, und ich dachte an das Prinzregenten- und Cuvilliéstheater als Ausweich-Lösungen – schon der erste Irrtum, denn beide Häuser waren längst von vielen anderen Veranstaltern gebucht. Wir spielten dort, aber dann eben auch im Fröttmaninger Zelt, in der Alten Kongresshalle, mehrfach im Circus Krone, im Carl-Orff-Saal, im Stadtmuseum, Einführungen im Akademietheater und überwiegend Premieren in der Reithalle – letztere theatralisch zwar vielfältig bespielbar, aber für die Künstler: immer raus aus den Garderoben-Containern etliche Meter in Hitze, Regen und Schnee zur Spielstätte – nicht „Not“, aber schon… Naja… Wir in der Leitungs-, Planungs- und Technikebene hatten immer „Plan A, B und C“ – gespielt haben wir dann „Plan L oder M…“ – und ja, daraus erwuchs sowas wie „Tugend“: Unser aller Handwerk als unverzichtbare Grundlage war da gefordert, dann setzte all das im ganzen Team Phantasie frei, auch Zusammengehörigkeit, Durchhaltevermögen und sogar Begeisterung.

Peter: Sie erfuhren erst Weihnachten 2015, dass Sie die ganze, längst geplante Saison 2016/2017 eben nicht ins Stammhaus können, sondern abermals die Ausweichspielstätten nutzen müssen. Also: Umschmeißen eines fertigen Spielplans – speziell auch der Bühnenbildplanung. Mussten Sie andererseits nicht dauernd im Kopf haben beziehungsweise fordern, dass das Bühnenbild dann auch ins Haus passen muss?

Köpplinger: Ja, zum Beispiel: Wir wollten das renovierte Haus mit der Uraufführung „Liliom“ eröffnen. Natürlich musste das Bühnenbild dann für die unumgängliche Reithallen-Premiere anders aussehen und funktionieren. Jetzt will ich gerade so ein erfolgreiches neues Werk im Haus wiederaufnehmen – da müssen wir anpassen: Zusatzarbeit.

Peter: Haben Sie sich im Haus und bei der Bühnentechnik jetzt alle Wünsche erfüllen können?

Zum Teil wiederverwertbares Bühnenbild: „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ mit Peter Lesiak als Caractacus Potts, Amelie Spielmann als Jemima Potts, Marinus Hohmann als Jeremy Potts, Nadine Zeintl als Truly Scrumptious und Ensemble. Foto: Thomas Dashuber

Zum Teil wiederverwertbares Bühnenbild: „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ mit Peter Lesiak als Caractacus Potts, Amelie Spielmann als Jemima Potts, Marinus Hohmann als Jeremy Potts, Nadine Zeintl als Truly Scrumptious und Ensemble. Foto: Thomas Dashuber

Köpplinger: Alle Wünsche kann man sich nie erfüllen. Aber Elektronik und Antriebe, die fünf Jahre brach liegen – da wurde bis vor wenigen Wochen getestet, geprüft, erneuert und abgenommen. Die Zylinderdrehbühne mit den fünf eingebauten Doppelstockpodien, die ist genauso da. Erfreulich ist, dass wir ein nicht dem Denkmalschutz unterliegendes Gipsportal an der Bühnenöffnung wegnehmen durften, so dass speziell Besucher auf den seitlichen Rangplätzen zukünftig bessere Sicht haben.

Peter: Also Freude auf das schöne, erweiterte und in vielem runderneuerte Haus?

Köpplinger: Ja natürlich, auf ein voll funktionierendes Haus: Wir haben einen schönen, neuen Orchesterprobensaal; wir haben einen schönen, neuen und großen Chorprobensaal; wir haben unterirdisch einen neuen Probenraum in Bühnengröße und zwei andere dazu, einen barrierefreien, stilvoll renovierten Zuschauerbereich. All das hatte seinen Preis – und da steht die sogenannte „Hochkultur“ natürlich in der Diskussion. Aber wenn wir auf das Verhältnis all der Kosten für kriegerische Auseinandersetzungen in der Welt schauen: Dann ist doch Theater immer auch ein Schritt aus der Barbarei!

Peter: Zurück ins Haus: Denken Sie beim Bühnenbild auch an das oft im Stück enthaltene Ballett?

Wer an mein Haus engagiert wird, weiss, wie sehr sie oder er geschätzt und gemocht wird.

Köpplinger: Wir mögen ja die klassische Operetten-Tanz-Einlage nicht so sehr. Unsere Tänzer können vieles auch im regulären Bühnenraum. Aber beispielsweise „Weißes Rössl“: Da wurden dann schon Flächen eingeplant – oder dass etwa Tische und Stühle schnell bewegbar waren.

Peter: Mal aus der Sicht des kritischen Musiktheaterfreundes gefragt: Man sitzt mitunter da und denkt sich: Was ist denn da in den Konzeptionsgesprächen gelaufen? Wieso hat da keiner gesagt „Falsch!“ oder „Umständlich“ oder „Das ist nebensächlich, kostet nur – wird weggelassen.“ Wie handhaben Sie das in den Jahren vor einer Premiere?

Köpplinger: Ich engagiere nur Künstler, zu denen ich Vertrauen habe – die wissen, dass wir kein reines, großes Opernhaus, sondern ein Haus sind, das Oper, Operette, Musical, Ballett spielt und breite Jugendarbeit macht. Ich mache daher keine Konzeptprüfung. Ich bespreche vorher, wohin es gehen soll, mit der Dramaturgie, mit dem Regisseur, dem Bühnenbildner. Dann gibt es Verträge und einen Ausstattungsetat – und dann vertraue ich auf Handwerk und Phantasie über die Bauproben hinweg zur Premiere.

Peter: Wie handhabt das der Intendant Köpplinger gegenüber dem Regisseur Köpplinger: Gesteht er dem mehr zu? Sagt er da auch mal „Nein“?

Köpplinger (lacht): Häufig! Beispiel „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ – da sind über dieses Auto, das fliegen kann, über Film-Fahrten und Bühnenbild hinaus bis zu 110 Personen auf der Bühne mit zwei bis vier Kostümen – was hat das alles gekostet?

Peter: Mmmmh… 250.000 oder 300.000 Euro?

Ursprünglich für die Wiedereröffnung geplant: „Liliom“ mit dem Chor des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Foto: Thomas Dashuber

Ursprünglich für die Wiedereröffnung geplant: „Liliom“ mit dem Chor des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Foto: Thomas Dashuber

Köpplinger: Der Intendant hat dem Regisseur Köpplinger gesagt: Bei 200.000 ist Schluss! Und die Hälfte, also Kostüme, Beleuchtung und der Unterbau des fernsteuerbaren Autos müssen wiederverwertbar sein. Wenn wir das gegenrechnen, kostet diese preisgekrönte Produktion nur rund 100.000 – so wird gewirtschaftet. Das geht nur mit eigenen Werkstätten: unsere Schuster, Tischler und Schneiderinnen et cetera – mit deren Begeisterung geht so was.

Peter: Wir erleben ja erfreut, dass Sie neben allem Handwerk einfach ein Händchen für die sogenannte „Leichte Muse“ haben. Wollen Sie da nicht doch an ein Wiener Theater zurück?

Köpplinger: Nein, ich vermisse nur eines: die Wiener Kaffeehäuser… Bei allen Wiener Anfragen war meine Gegenfrage: Warum wollen Sie mich? Da kam nie eine gehaltvolle Antwort. Bei der Münchner Anfrage schon. Ich bin gern da, wo man mich will. Das gilt auch für meine Künstler und mein Team. Wer an mein Haus engagiert wird, weiß, wie sehr sie oder er geschätzt und gemocht wird.

Peter: Zurück zur „Leichten Muse“: Da spürt man bei Ihnen so was wie Liebe zum Genre durch. Woher kommt all das?

Köpplinger: Meine Großtante saß in der Uraufführung der „Lustigen Witwe“, hat mir dies und vieles mehr erzählt. Als Sechsjähriger saß ich in meinem ersten musikalischen Märchen. Ich habe Klavier und Gesang gelernt, das dritte Instrument verschweige ich – und dann kam Oper, gute Operette, schlechte Operette…

Abgekürzt: Ich habe mich bald gefragt: „Warum müssen Buffo-Paare so dumm und lächerlich sein? Das muss doch besser gehen!“ Der Rest steht in meiner offiziellen Biografie… Dieses „das ist hehr“ und „das ist weniger hehr“ gilt für mich nicht, dementsprechend sind mir auch Besucher lieber, die mit einem offenen Herzen kommen als nur mit einem teuren Anzug. Der Wagner-Kenner im teuren Anzug: Kennt der wirklich Wagner? Ich liebe Wagners Musik, aber er ist ein Antisemit – und da gibt es für mich keinen Kompromiss. Ich geh‘ nicht mehr nach Bayreuth und werde auch kein Wagner-Werk inszenieren. Noch mal die „im teuren Anzug“: Über die freu’ ich mich natürlich auch; die könnten ein paar Stuhlpatenschaften übernehmen, denn wir sind chronisch unterfinanziert, und dieses Geld kommt zur Gänze unserem Jugendprogramm zu Gute.

Peter: Sie eröffnen mit einer Neuinszenierung der „Lustigen Witwe“ – ein Werk, das in Münchens Gärtnerplatz leicht kontaminiert wirkt: Adolf Hitler samt Entourage saß da immer wieder in der NS-dekorierten Mittelloge, bewunderte Johannes Heesters als Danilo, und es gab Pläne, aus dem Gärtnerplatztheater eine stilbildende „Staatsoperette“ zu machen…

„Die Faschingsfee“ mit Daniel Prohaska als Viktor Ronai, Mitgliedern des Ensembles und des Chors. Foto: Marie-Laure Briane

„Die Faschingsfee“ mit Daniel Prohaska als Viktor Ronai, Mitgliedern des Ensembles und des Chors. Foto: Marie-Laure Briane

Köpplinger: Das Werk verdient nicht, darauf reduziert zu werden, denn es hat auch ganz andere Implikationen: Bei der Uraufführung wussten alle, dass mit „Pontevedrino“ eben Montenegro und die ganze Serbien-Problematik gemeint war, da saßen Leute mit Pistolen im Jackett… Und: Ich plane, auch im Programmheft gedruckt, die ganze Neuproduktion Louis Treumann zu widmen – dem ersten Danilo, der 70-jährig von den Nazis in Theresienstadt letztlich ums Leben gebracht wurde…

Peter: … in unserer ehemaligen „Hauptstadt der Bewegung“ sehr angebracht! Diese Ihre Haltung steht ja auch dafür, dass Genre-Grenzen fragwürdig sind.

Köpplinger: Ja, wir spielen ja auch genreübergreifend – wir haben die Uraufführung über diese „stumme Frau“ gemacht, über Emilie Schindler, die bislang ganz im Schatten des fabelhaften Spielberg-Films „Schindlers Liste“ steht. Ein anderer Aspekt zu „Genre-Grenzen“: Ich musste nur für diese Spielstätten-Phase, diese zwischen Stagione- und Block-System angesiedelte Zeit, das Ensemble aufgeben. Doch ich bin ein Ensemble-Mensch, und jetzt haben wir wieder ein Opéra-comique-Ensemble, ein erweitertes Mozart-Ensemble, ein leichtes italienisches Ensemble. Ich finde, wer Mozart singen kann, kann auch Richard Strauss – und auch Henze. So viel zum möglichen Repertoire dieses Ensemble-Hauses.

Peter: Repertoire-Fragen: Wie stimmen Sie sich mit der großen Schwester im Nationaltheater ab?

Köpplinger: Ich spreche mit Nikolaus Bachler einmal im Jahr über die Zukunft, jetzt also über 2019 und 2020. Da gibt es keinerlei Probleme. Es gibt aus unser beider Verständnis auch eine Schnittmenge, also etwa „Zauberflöte“ oder „Bohème“. Ein Volkstheater wie wir ist ja auch dazu da, nicht nur elitäres Musiktheater zu machen. Wir haben auch einen Bildungsauftrag und den verstehe ich so: Eine ganze Familie muss ins Theater gehen können zu Preisen, die das möglich machen – auch mehr als einmal im Monat.

Peter: Und Sie glauben an das Überleben des Unterhaltungstheaters in all seinen Spielarten?

Köpplinger: Absolut! Nochmals „Lustige Witwe“: Das ist doch ein vielschichtiges Werk, über die politischen Aspekte hinaus: diese ganze Geldproblematik, dass da eine Figur letztlich Summen verpulvern kann, die einen Staatshaushalt sanieren könnten – von gestern? Nein, von heute! Diese ganze Fremdgeherei, die Betäubung durch Amüsement? Das steckt doch alles drin!

Peter: Sie bearbeiten ja sehr – ich erinnere mich an die Erstaufführung dieser einzigen original in München angesiedelten Operette, an Emmerich Kálmáns „Die Faschingsfee“, die im Ersten Weltkrieg spielt – Ihre nicht verstaubt, aber auch nicht anbiedernd zeitgenössisch klingenden Dialoge. Wie weit dürfen Sie da gehen?

Köpplinger: Das ist unterschiedlich. Es gibt ungeschützte Bücher. Wenn keine Erben da sind, wird beim Verlag angefragt. Bei Erben bietet man an „Lest das mal…“. Oder man legt eventuell die ganze Neufassung vor – meiner Erfahrung nach sind viele erfreut, manche haben sich sogar bedankt, wenn durch zwar werkgemäße, aber eben neue Texte oft die zeitlose Gültigkeit eines Werkes klarer wird.

Peter: Wird es über Ihre Ur- und Erstaufführungen hinaus künftig Neues geben?

Köpplinger: Eines darf ich verraten: Es wird eine neue „Revue-Operette“ geben, mehr sag’ ich nicht.

Peter: Habe ich Sie etwas Wesentliches nicht gefragt?

Köpplinger: Ich will abschließend eines betonen: Der Intendant steht vorne, an der Front, er spricht nach Außen. Das viel Wesentlichere ist, nach Innen eine Stärke zu verbreiten, im ganzen Team, dann kommt etwas zustande. Theater ist zwar immer auch nur Theater – aber eben deswegen so unersetzbar.

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