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Editorial

Analog in die Zukunft

Verliert die Pandemie ihren Schrecken? Aufgrund sinkender Inzidenzzahlen, des Impffortschritts und fortentwickelter Hygienekonzepte öffnen die Theater allseits so gut als möglich ihre Pforten. Das ist gut, das ist notwendig, vielleicht überfällig, aber auf der anderen Seite gilt es auch nichts zu überstürzen. Ich denke, wir sind gut beraten, mit einer gewissen Umsicht der aktuellen Entwicklung gegenüberzutreten. Es gilt sicherzustellen, dass alle Bevölkerungsgruppen nachhaltig geschützt werden und eine vierte Welle der Infektionen vermieden werden kann.

Gerrit Wedel. Foto: Charlotte Oswald

Gerrit Wedel. Foto: Charlotte Oswald

In der Pandemie haben die Theater verstärkt neue – vor allem digitale – Formate entwickelt, die sie in der Vergangenheit z.T. stark vernachlässigt hatten. Tobias Könemann hat in seinem letzten Editorial auf die vor allem medialen Auswirkungen der Pandemie auf die Theater hingewiesen, an allen Ecken und Enden sprießten die digitalen Angebote wie Pilze aus dem Boden. Vielen Dank an dieser Stelle an alle Beteiligten für diese mit außergewöhnlicher Kreativität entwickelten Darbietungen. Aber diese Form des Angebots ist immer nur ein höchst ungenügender Ersatz für die direkte körperliche Wahrnehmung. Das eigene körperliche Empfinden dieses besonderen dem Theater innewohnenden Zaubers kann durch eine wie auch immer geartete digitale Übermittlung nicht ersetzt werden.

Glücklicherweise zeigt sich, dass die „ohnehin schon verkümmernde gesellschaftliche Akzeptanz des Theaters“ hoffentlich die Gegenbewegung angetreten hat. Für viele Menschen ist inzwischen weit mehr als ein Jahr seit dem letzten Besuch einer Kulturveranstaltung vergangen. Und während dieser Zeit reifte nicht etwa die Erkenntnis, dass man doch auch ganz gut ohne Kultur auskomme – im Gegenteil, der Wunsch nach dem persönlichen Erleben wurde stärker. Und so verwandelte sich das Fehlen der Kultur während der Zeit des Mangels auch in Wertschätzung.

Bleibt zu hoffen, dass diese Erkenntnis auch die politisch verantwortlichen Stellen erreicht, und der Rotstift im Zuge ausgebliebener Steuerausfälle nicht in blindem Aktionismus ausgepackt wird.

Der deutsche Kulturrat hat diesbezüglich u.a. mit seiner Initiative für den Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen vorbildlich reagiert. Auch das bereits seit Sommer 2020 aufgelegte Unterstützungsprogramm „Neustart Kultur“ nimmt unsere Branche in den Fokus. Mit der Notfallversorgung wird es nicht getan sein, aber wir alle werden uns bei aller Euphorie auch erst wieder an den „Normalbetrieb“ gewöhnen müssen, wie auch der Kulturbetrieb erst noch wieder richtig ankommen muss bei der Rückkehr in die „analoge Normalität“.

Doch ein reines „Zurück“ kann und soll es nicht geben. Die Vergangenheit ist analog, die Zukunft ist digital – stimmt das denn überhaupt so? Ich finde es zu vereinfachend, oder mit den Worten von Herrn Morgenroth gesprochen: „Wir sind die Antithese zum Digitalen“ (s. Interview S. 7-10).

Tatsächlich ist es doch eigentlich so, dass Digitales uns im Idealfall das analoge Leben erleichtert und kein Ersatz, aber eine unterstützende Ergänzung sein kann. Das sehen wir bei allen täglichen Anwendungen von Computerprogrammen, nicht zuletzt der Corona-Warn-App – und wir spüren es jetzt bei analogen Kulturerlebnissen, die leichter und sicherer durchzuführen sind, wenn z.B. Tickets vorab personalisiert werden und QR-Codes zum Einchecken ausgegeben werden etc..

Für die Zukunft werden die Künstlergewerkschaften sich einer besonderen Herausforderung gegenüber sehen, denn neben der Implementierung digitaler Ergänzungen in tariflich transparente Regelungen, sind wir gehalten, uns in der Post-Corona-Zeit besonders dafür einzusetzen, die kulturellen Strukturen nachhaltig zu erhalten.

Insofern sehen wir einer konstruktiven Zusammenarbeit in den bald hoffentlich wieder in Fahrt kommenden Manteltarifverhandlungen vor allem mit der neuen Präsidentin der GDBA, Lisa Jopt, zuversichtlich entgegen. Denn gerade in den auf uns zukommenden Zeiten wird es um so wichtiger sein, unsere Kräfte zu bündeln und mit einer starken gemeinsamen Stimme zu sprechen, um das gemeinsame Ziel mit vereinter Kraft zu erreichen.

Gerrit Wedel

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