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Grotesker Mummenschanz
Richard Wagners „Tannhäuser“ als Steinbruch am Theater Magdeburg

Kosmogonie als Kasperletheater
Paul-Georg Dittrichs Neuinszenierung von Wagners „Rheingold“ an der Oper Köln

Dystopie und Utopie
Tanztheater an den Kölner Bühnen: Sasha Waltz’ „Beethoven 7“

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Die 6. Internationale Opernwerkstatt Waiblingen

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Die Semperoper auf einer Krypto-Briefmarke

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Eckart Kröplins Buch „Richard Wagner und Russland“

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Berichte

Grotesker Mummenschanz

Richard Wagners „Tannhäuser“ als Steinbruch am Theater Magdeburg

Mit keinem anderen Werk hat Wagner so gerungen wie mit dem „Tannhäuser“, in dem er sein Lebensthema, den Kontrast zwischen Eros und Agape, sinnlicher wie geistiger Liebe zum ersten Mal und paradigmatisch thematisiert. Es existieren nicht weniger als vier Fassungen. Kein Wunder, dass der „Tannhäuser“ zu einem Steinbruch der Dirigenten und Regisseure wurde. Am Theater Magdeburg hat man sich jetzt zur Eröffnung der Spielzeit 2025/26 entschlossen, die vergleichsweise bescheidene, weniger raffinierte, aber klare Version der Dresdner Urfassung von 1845 in einer Neuinszenierung von Adele Thomas (Ko-Intendantin der Welsh National Opera) auf die Bühne zu bringen.

Wagner, „Tannhäuser“ am Theater Magdeburg mit Marko Pantelić, Opernchor und Singakademie. Foto: Andreas Lander

Wagner, „Tannhäuser“ am Theater Magdeburg mit Marko Pantelić, Opernchor und Singakademie. Foto: Andreas Lander

Die britische Regisseurin verzichtet auf alle Versuchungen zu Aktualisierungen und zeigt die Oper mittelalterlich. Allerdings hat ihr die Bühnen- und Kostümbildnerin Cécile Trémolières ein Mittelalter entworfen, das allzu dick aufträgt und vor keiner Unsinnigkeit zurückschreckt. Die Kostümierung ist ein grotesker Mummenschanz. Statt Hörselberg sieht man eine Art Klostermauer mit Heiligennische. Darin steht die Gottesmutter als Himmelskönigin im blauen Umhang und mit goldener Krone. Es ist allerdings die verkleidete Liebesgöttin, die alsbald ihre fromme Hülle abstreift und sich als Artemis von Ephesos entblößt, als Urmutter mit vielen Brüsten, an deren einer sich der liebestrunkene Tannhäuser regelrecht satt saugt, bevor er von Liebesekel und Venusüberdruss gepackt wird. Die polnische Mezzosopranistin Jadwiga Postrożna singt Frau Venus imposant. Tannhäuser, von ihr verflucht, wird entlassen in eine leere Bühne mit viel Bühnenqualm, der erneut im dritten Akt wabert.

Im Wartburgbild des zweiten Akts lässt es die Ausstatterin so richtig krachen. Sie zeigt ein rosa angestrichenes gotisches Chorgestühl mit Sechzigerjahre-Sitzmulden und dahinter einen unsäglichen Wandteppich. Elisabeth tritt auf und singt fulminant ihre Hallenarie. Aurora Marthens besitzt eine große Stimme mit Sensibilität im Piano und dramatischer Wucht. Warum Thüringens Landgraf dann allerdings wie ein (jüdischer) Hohepriester in schwarzer Soutane, mit violetter Stola und hoch aufragender Kopfbedeckung auftritt, bleibt rätselhaft. Johannes Stermann singt indes vorzüglich. Er verfügt über eine noble samtige, große Bassstimme. Der Aufmarsch der Wartburggesellschaft wird zum grotesken Kostümfest, zum Defilee klischeehafter Mittelalter-Trachten, ja zur unfreiwilligen Karikatur. Die Krone setzen diesem Akt die als Strohmandeln oder Krampusse verkleideten Tänzer des Magdeburger Balletts auf. Sie hüpfen völlig überflüssig und fehl am Platz durchs Bild.

Im dritten Akt sieht man einen Pilgerchor aus Zerlumpten, Versehrten an Krücken, Geißlern und allzu Frommen im Büßergewand. Sie schleppen ein riesiges Kruzifix und schlurfen weihevoll über die Bühne (man denkt an Oberammergau). Tannhäuser wurde schon im zweiten Akt als fast pathologisch nervöser Zappelphilipp gezeigt. Nun hat er seinen großen Auftritt, meist fast nackt im Lederharnisch. Der junge amerikanische Heldentenor James J. Kee ist ein Glücksfall. Seine Rom­erzählung – und nicht nur die – singt er mit großer, mühelos heldischer Stimme bei guter Sprachbehandlung und packender Gestaltung. Die einzige Enttäuschung im Sängerensemble ist der in Belgrad geborene Bariton Marko Pantelić. Er singt mit deutlich zu kleiner Stimme den Wolfram von Eschenbach. Sein Lied an den Abendstern verpufft. Dafür darf man am Ende der wunderbaren Wiederauferstehung der aus Liebeskummer gestorbenen Elisabeth beiwohnen, die Tannhäuser das ergrünte Reis des Papstes als Zeichen der Erlösung von ihrer Totenbahre aus überbringt, bevor sie einfach so von der Bühne rennt und Tannhäuser stirbt.

Alles in allem eine szenisch geschmacklose Produktion. Umso beglückender geriet die musikalische Seite unter Leitung des US-amerikanischen Dirigenten Erik Nielsen. Er hat den fabelhaften Chor des Hauses, die Magdeburger Singakademie (Leitung Martin Wagner), und die klangschön und makellos aufspielende Magdeburgische Philharmonie zu einer großen, bewegenden Aufführung animiert.

Dieter Daniel Scholz

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