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Kulturpolitik
Auf ein Wort mit…
„Kunst und Kultur schaffen Horte des Miteinanders“
Nach 25 Jahren hat unisono-Deutsche Musik- und Orchestervereinigung eine neue Geschäftsführung: Julia Hofmann und Robin von Olshausen
Im Gespräch mit Tobias Könemann, Rainer Nonnenmann und Gerrit Wedel
Von 2001 bis 2025 war Gerald Mertens Geschäftsführer der Deutschen Musik- und Orchestervereinigung DOV – heute unisono. Nun arbeitet in dieser Funktion eine neue Doppelspitze. Robin von Olshausen – 1990 in Bremen geboren – nahm mit Klavier und Geige (Streichquartett) mehrmals am Bundeswettbewerb Jugend musiziert teil und studierte Rechtswissenschaften in Freiburg und Valencia sowie parallel zum Referendariat Klavier in Frankfurt/Main. 2019 wurde er Syndikusrechtsanwalt, 2024 Stellvertretender Geschäftsführer und im Mai 2025 Geschäftsführer von unisono. In derselben Funktion kam im Oktober 2025 Julia Hofmann hinzu. 1981 in Krakau geboren, machte sie in Spanien Abitur und studierte an der Freien Universität Berlin Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Sie arbeitete im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und als Sprecherin diverser Verbände, bis sie 2019 die Geschäftsführung der Freunde und Förderer der Staatsoper Unter den Linden übernahm. 2023 hob sie die Stiftung Staatsoper Unter den Linden aus der Taufe. Nun gestaltet sie mit Olshausen die Gewerkschaftsarbeit, Verbands- und Tarifpolitik von unisono.
O&T: Wie häufig besuchen Sie Konzerte oder Opernaufführungen? Was begeistert Sie daran?

Julia Hofmann und Robin von Olshausen. Foto: Maren Strelau
Robin von Olshausen: Ich gehe gerne ins Konzert, insbesondere in Berlin, wo wir allein die Mitglieder von zehn Klangkörpern innerhalb unserer Gewerkschaft haben. Wenn es Dienstreisen erlauben, besuche ich auch Konzerte an anderen Orten. Genauso gerne höre ich Kammermusik, und dazu gibt es in Berlin ebenfalls sehr viele Möglichkeiten. Als Pianist spiele ich auch selbst viel Kammermusik.
Julia Hofmann: Ich bin in der Geschäftsstelle von unisono vermutlich die Einzige, die selber kein Instrument praktiziert, aber ich bin von Kindesbeinen an Musikliebhaberin. Ich gehe viel in Konzerte und in die Oper. Als Geschäftsführerin der Freunde und Förderer der Staatsoper Unter den Linden habe ich wöchentlich Opernaufführungen und Konzerte erlebt. Ich genieße in Berlin die unglaubliche Vielfalt des Angebots. Diese Kultur in Berlin und ganz Deutschland zu erhalten, ist unser Auftrag. Bei Vorstellungen kann ich alle Emotionen verarbeiten, die ich habe, sodass ich schon geweint und gelacht habe. Es gibt immer seltener Gelegenheiten, bei denen viele Menschen zusammenkommen und zeitgleich dasselbe machen, nämlich Musik und Theater zu erleben. Jeder hat eine eigene Wahrnehmung und dennoch kann man gemeinsam darüber sprechen, wie es einem dabei ergangen ist. Musik bringt Menschen zusammen und das ist fantastisch.
O&T: Der Erhalt der deutschen Orchester- und Theaterlandschaft hat eine kulturpolitische und auch eine demografische Dimension. Was denken Sie, wenn Sie im Publikum überwiegend ältere Menschen sehen?
Hofmann: Dem Eindruck, dass man vorwiegend Ü-Siebzigjährige in den Theatern und Konzerten sieht, möchte ich widersprechen. Das hängt stark von den Veranstaltungen ab. Wie insgesamt in der Gesellschaft gibt es mehr ältere als jüngere Menschen. Häufig verfügen sie über die finanziellen Mittel und haben auch mehr Zeit als Berufstätige. Es wächst Publikum nach, auch die Kinder und Jugendlichen kommen, zumal die Häuser wunderbare Angebote für diese Zielgruppen machen und Ermäßigungen gewähren.
O&T: Aber die kulturelle und musikalische Bildung schwindet schon seit Langem, was flächendeckend dazu führt, dass immer weniger junge Menschen wissen, dass es Oper und Konzert überhaupt gibt.
Hofmann: Es gilt sicherzustellen, dass der hohe Stellenwert, den die Kultur genießt, nicht aus dem Blick der Politik rückt. Deswegen müssen wir den Verantwortlichen in der Kulturpolitik ebenso wie der Finanz- und Bildungspolitik klarmachen, dass die Kultur kein „Add-on“ oder „Nice to have“ ist, sondern wichtig für den Zusammenhalt und die Entwicklung einer gesunden Gesellschaft. Kunst und Kultur schaffen Horte des Miteinanders, die Menschen auf positive Weise verbinden.
von Olshausen: Das DSO macht seit zwei Jahren Programme, die sich auf Komponistinnen konzentrieren oder Werke von Komponisten mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen beinhalten. Die Auslastung liegt bei fast hundert Prozent, und die Aufführungen ziehen ein sehr gemischtes und junges Publikum an. Für andere Orchester ist das ein ermutigendes Signal, über Repertoireerweiterungen nachzudenken.
O&T: Herr von Olshausen, Sie sind fünf Monate länger Geschäftsführer der unisono als Ihre Kollegin. Waren Sie bei der Auswahl von Frau Hofmann beteiligt und – falls ja – warum haben Sie sich für sie entschieden?
von Olshausen: In unserer Verbandsstruktur trifft der Vorstand die wesentlichen Entscheidungen und hat auch Julia Hofmann ausgesucht. An dem Auswahlprozess war ich beteiligt. Mit Julia haben wir einen absoluten Volltreffer gemacht. Sie hat eine wahnsinnige Expertise und ist schon nach den ersten Wochen eine Senkrechtstarterin.
O&T: Ihrer beider Vorgänger Gerald Mertens war 25 Jahre lang alleiniger Geschäftsführer von unisono. Warum gibt es mit Ihnen jetzt eine Doppelspitze? Die Geschäftsführer der VdO mit Sitz in Berlin und Köln sind beide Juristen und auch beide für Tarifpolitik und Lobbyarbeit zuständig. Allerdings teilen sie sich die regionale Zuständigkeit für Süd-West-, beziehungsweise Nord-Ost-Deutschland.

Robin von Olshausen auf der Delegiertenversammlung. Foto: Maren Strelau
von Olshausen: Die Doppelspitze ist ein sehr zeitgemäßes Modell, das sich gegenwärtig in vielen Einrichtungen durchsetzt. Unsere Kompetenzverteilung deckt sich mit unseren beruflichen Schwerpunkten. Bei mir das Juristische und alles, was mit Tarifpolitik zu tun hat. Bei Julia vor allem die politische Arbeit. Das erfordert natürlich sehr viel Abstimmung zwischen uns beiden, was hervorragend klappt. Ganz strikt kann man die Bereiche aber nicht trennen.
Hofmann: Es läuft so gut, als würden wir schon lange gemeinsam arbeiten. Ich bin Politikwissenschaftlerin und in der Verbandskommunikation zuhause. Übrigens ist auch bei unisono das juristische Team in Regionen aufgeteilt, um vor Ort Ansprechpartner für die jeweiligen Orchester zu sein. Ich selbst habe nicht Jura studiert und mir fehlt die Expertise im Arbeitsrecht.
O&T: Sie waren als Geschäftsführerin der Freunde und Förderer der Staatsoper Unter den Linden für Fundraising und Netzwerken zuständig. An welchen Stellen braucht es bei unisono „weitere Vernetzung auf politischer Ebene und in der Gesellschaft“?
Hofmann: Der Verband ist bundesweit hervorragend vernetzt, und die Kolleginnen und Kollegen sind schon jetzt wunderbar aufgestellt. Ich bin Politikwissenschaftlerin, Verbandsperson und kulturbegeistert. Was ich gerne einbringen möchte, ist Hilfestellung für die Klangkörper vor Ort, wie man Strukturen und Netzwerke von Unterstützern in Politik, Wirtschaft, Vereinen, anderen Verbänden und Partnern stärken und sinnvoll nutzen kann. Ich kann natürlich nicht an 130 Standorten gleichzeitig sein, sondern möchte vor allem da unterstützen, wo es brennt oder bei Organisation und Vernetzung helfen, wenn diese noch nicht so entwickelt sind, damit es gar nicht erst soweit kommt. Unsere Ansprechpartner:innen sind nicht nur auf der Bundes- und Landesebene sondern auch vor Ort in den Kommunen, die Klangkörper tragen.
O&T: Wie aktiv sind gerade auf kommunaler Eben die vielen ehrenamtlichen Kräfte der Gewerkschaft?
von Olshausen: Viele engagieren sich ganz wunderbar und sind richtige Zugpferde. Das ist fantastisch und lässt einen dann auch gemeinsam etwas bewegen. Die Höherstufung der Augsburger Philharmoniker zu einem A-Orchester verdankt sich beispielsweise dem Engagement von zwei, drei Personen vor Ort. Vor einer solchen Leistung zücke ich meinen Hut.
O&T: Laut unisono-Statistik gibt es in Deutschland 110 staatliche, städtische und öffentlich finanzierte Orchester, 8 öffentlich finanzierte Kammerorchester und 11 Rundfunkorchester. Wie viele Mitglieder hat die unisono? Und wie viele davon sind freiberufliche Musikschaffende?
von Olshausen: Wir haben insgesamt ungefähr 13.000 Mitglieder, davon sind rund 1.500 freischaffend und etwa 9.000 Aktive in den Klangkörpern, die übrigen sind Pensionär:innen. Per Statuten ist unser Verband offen für alle professionellen Musikschaffenden. In den 1950er-Jahren lag der Schwerpunkt auf Orchestermusiker:innen. Aber spätestens seit den 2000er-Jahren sind auch Freiberufler bei uns. 2012/13 haben wir uns nochmals bewusst für Freischaffende geöffnet, auch für Lehrbeauftragte an Musikhochschulen. Gegenwärtig sind es vor allem Freiberufler:innen im Bereich von Orchesteraushilfen und Musikschullehrer:innen.
O&T: Auch die Vereinigung deutscher Opern und Tanzensembles VdO hat eine gewisse Öffnung hinter sich, die einige Mitglieder auch kritisch begleiten, weil man fürchtet, die Gewerkschaft würde sich nicht mehr richtig um ihre Kernaufgaben kümmern. Wir sind der Ansicht, dass man das ganzheitlich angehen muss. Wir haben vielerorts Stellenabbau, so dass immer mehr Musikschaffende in die freie Beschäftigung abwandern. Aber auch das sind Leute, die eine gewerkschaftliche Vertretung brauchen. Und wenn wir diese nicht mehr vertreten, laufen wir Gefahr, auch die fest Angestellten immer mehr zu gefährden. Es ist viel wichtiger geworden, bei den Freien klare Regelungen zu schaffen, damit es gar nicht mehr so attraktiv ist, von den festen Beschäftigungen abzusehen. Als kleiner spezieller Berufsverband muss man eine gewisse Sicht- und Hörbarkeit schaffen, um auch außerhalb der eigenen Mitgliedschaft wahr- und ernstgenommen zu werden. Dazu gehört die Vertretung eines breiten Spektrums an Beschäftigten.

Julia Hofmann im Gespräch mit der lettischen Opernsängerin Elīna Garanča. Foto: Alex Hofmann
Hofmann: Diesen Balanceakt vollziehen wir auch bei unisono, und er spiegelt sich auch in unserer Organisationsstruktur wider. Seit April 2025 haben wir eine eigene Kommission für Freischaffende, sodass ihre Interessen im Verband noch besser dargestellt werden können, und wir verbandsintern prüfen können, wie wir damit umgehen. Das ermöglicht einen offenen und ehrlichen Dialog.
O&T: Als sich die Deutsche Orchestervereinigung 2022 den neuen Namen unisono gab, wurden per Satzungsänderung auch die Mitbestimmungsmöglichkeiten von Freischaffenden im geschäftsführenden Vorstand und Gesamtvorstand erhöht. Hat der Verband damit nicht etwas spät auf den Trend reagiert, dass schon seit den 1990er-Jahren immer mehr Musikschaffende freiberuflich tätig sind?
von Olshausen: Gemäß der alten Satzung hatten die Freischaffenden auch Sitze im Gesamtvorstand, aber noch keinen Sitz im Fünfergremium des geschäftsführenden Vorstands, und auch keine eigene Kommission. Wenn man sagt, man öffnet sich für Freiberufliche, dann muss man das auch in den Statuten abbilden. Auf diese Weise haben die Freiberuflichen jetzt mehr Mitbestimmungsrecht, und das ist richtig so.
O&T: Die Zusammenarbeit der Kulturgewerkschaften unisono, VdO, GDBA und BFFS im Bereich der Vergütungen ist Jahrzehnte alt und hat sich bewährt. 2015 haben wir auch schon zusammen gestreikt. In der Mantelstruktur sind die Tarifverträge von Normalvertrag (NV) Bühne und Tarifvertrag für Musiker in Konzert- und Theaterorchestern (TVK) aber sehr unterschiedlich. Da wäre eine Vereinheitlichung unrealistisch. Beim Thema Urlaub haben wir uns im Rahmen der Vergütungsvereinbarung auf ein gemeinsames Mantelthema geeinigt. Mein Eindruck war aber in der Vergangenheit, dass die DOV und jetzige unisono sich stark auf sich selbst konzentriert hat und andere Künstlergewerkschaften nur mit ins Boot geholt hat, wenn es ihren Interessen diente. Es gab eher eine punktuelle, aber keine allgemeine Zusammenarbeit. Inwieweit gibt es heute bei unisono eine Offenheit, diese Zusammenarbeit zu intensivieren?
von Olshausen: Bei manchen Themen gibt es keine Schnittmengen, etwa beim brasilianischen Tropenholz Fernambuk, das seit zweihundert Jahren für den Bau von Streicherbögen genutzt wird. Und beim Thema Sozialversicherungspflicht von Freischaffenden vertreten unsere beiden Verbände abweichende Auffassungen. Die Mitglieder von unisono wollen nicht sozialversicherungspflichtig sein, sondern verstehen sich bei Aushilfstätigkeiten in Orchestern als Freiberufler:innen, die der VdO begreifen sich aber mehrheitlich als kurzzeitbeschäftigte Arbeitnehmer:innen. Das ändert aber nichts daran, dass es auf anderen Gebieten Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt, gerade bei der Tarifpolitik.
O&T: Bei den vielen verschiedenen Haustarifverträgen haben wir immer intensiv zusammengearbeitet, weil das alle Gewerkschaften verbindende Problem systemisch die mangelnde Finanzierung der Theater war und bleibt. Eine Hauptaufgabe von uns allen ist deswegen die wachsende Lobbyarbeit. Wir stehen alle vor der Herausforderung, die Akzeptanz für die großen Schiffe Orchester und Theater, die viel Geld binden, so zu etablieren, dass nicht immer wieder infrage gestellt wird, warum da so viel Geld reinfließt, sondern dass dies eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit ist. Ich sehe ein großes Potential bei uns allen, dieses Verständnis gemeinsam zu stärken.
Hofmann: Je mehr wir sind, und je mehr wir mit einer Stimme sprechen, desto besser. Wir vertreten gemeinsam sehr viele Menschen, und sie leiden am Ende alle, wenn Theater geschlossen werden: die Orchestermitglieder, die Darstellenden und die Mitarbeitenden hinter, vor und unter der Bühne. Hier sollten wir in der Tat gemeinsam aktiv werden, damit unsere Anliegen bei künftigen Haushaltsberatungen Gehör finden. Gegenüber Bühnenverein und Politik müssen wir gemeinsam auftreten, was nicht ausschließt, dass wir auch die Interessen unserer jeweiligen Mitglieder vertreten.
O&T: Die öffentliche Meinung über Kunst und Kultur wird gegenwärtig von Finanzierungsfragen dominiert, es geht fast ausschließlich um Subventionen, Sparszenarien, Kürzungen, Mindesthonorare und teils Milliarden schwere Sanierungsfälle. Das verkürzt die öffentliche Wahrnehmung von Kultureinrichtungen und ihrer Leistungen. Wie bekommt man die Aufmerksamkeit wieder mehr auf den Sinn und die Wertigkeit von Kunst und Kultur für jeden einzelnen Menschen und die Gesellschaft als ganze gelenkt? Dazu gab es ein Treffen der NV-Bühne-Gewerkschaften mit dem Vorsitzenden des Deutschen Bühnenvereins Carsten Brosda. Es darf nicht sein, dass Kultureinrichtungen immer nur als Kostenfaktor wahrgenommen werden.
Hofmann: Die positiven Auswirkungen der Kultur auf die Gesellschaft müssen wir in der Öffentlichkeit viel mehr in den Vordergrund stellen. So lange, bis es sich in den Köpfen der Menschen und vor allem der politischen Entscheidungsträger:innen festsetzt.
O&T: Kunst muss wieder als gesellschaftliches Bedürfnis empfunden werden, und zwar noch bevor Kultureinrichtungen geschlossen werden und dies dann als Mangel wahrgenommen wird. Im Moment aber kommt es mir eher vor, als würden wir uns der Gesellschaft aufdrängen. Dass kulturelle Bildung seit Jahrzehnten schwindet, macht sich längst auch im Personal von Politik und Funktions- und Entscheidungsträgern bemerkbar. Immer mehr haben keinen Zugang zu Kunst und Kultur, weil sie ästhetische Erfahrung nie als ein existenziell wichtiges Bedürfnis erlebt haben.

Gemeinschaftsprojekt von 7 Orchestern in Berlin 2019. Foto: Martin Walz
Hofmann: Schon während meiner ersten Wochen bei unisono habe ich so viele unserer Mitglieder kennengelernt, die Klangkörpern angehören und unermüdlich andere Menschen in ihrer Stadt von der Musik begeistern, die sie machen. Unsere Gewerkschaften haben so viele Mitglieder, die bundesweit aktiv werden können. Wir alle müssen selbst Botschafterinnen und Botschafter unserer Orchester und Theater sein. Diese Arbeit nimmt uns niemand ab. Und niemand kann sie auch so gut wie wir.
O&T: Seit 1. September 2025 gelten deutschlandweit Mindesthonorare für vom Bund geförderte Projekte. Angemessene Bezahlung ist unstrittig. Zugleich führt sie bei gleichbleibenden oder gar gekürzten Finanzmitteln dazu, dass immer weniger Projekte gefördert werden.
von Olshausen: Das ist die große Debatte bei den Mindesthonoraren, die Gretchenfrage, die manche Fördergeber:innen selbst gar nicht zu beantworten wagen, sondern in die Kunstszene zurückfragen, wie viele Projekte sie denn fördern sollen.
O&T: Die unisono-Homepage zeigt eine „Aushilfenampel“ mit Vergütungen für Proben, Aufführungen und Tagessätze von 139 Orchestern deutschlandweit, welche die Mindesthonorarsätze entweder komplett verfehlen (rot markiert), lediglich 75 Prozent des empfohlenen Honorars (gelb) oder tatsächlich das Mindesthonorar für Aufführungshonorar/Tagessatz von Aushilfen (grün) bezahlen. Die gesamte Liste ist leider komplett rot und gelb, kein einziges Orchester liegt im grünen Bereich. Wie lässt sich das ändern, wo die meisten Länder und Kommunen verschuldet sind und mancherorts Planstellen gestrichen oder ganze Klangkörper abgeschafft werden sollen?
von Olshausen: 2024 gab es mehr grün markierte Orchester, da brauchen wir jetzt wieder einen Zug nach vorne. So lange wir es nicht schaffen, einen Tarifvertrag Gast zu haben, wie es die VdO durchgesetzt bekam, bleibt das leider ein prekäres Feld.
O&T: Viele freiberufliche Musikerinnen und Musiker arbeiten in mehreren Ensembles und kurzfristigen Projekten. Neben angemessener Bezahlung brauchen sie dafür flexible Verträge. unisono setzt sich dafür ein, dass Orchester- und Choraushilfen wieder sozialversicherungsfrei möglich werden. An welchen Stellen drängen Sie auf eine Überarbeitung des Selbstständigenrechts?
von Olshausen: Wir setzen uns dafür ein, dass nicht mehr eine tätigkeitsbezogene Betrachtung stattfindet, sondern eine personenbezogene. Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Bärbel Bas strebt eine Novelle an, und da sind wir mit dem Ministerium im Gespräch.
O&T: Das Thema KI ist allgegenwärtig. Alle Berufsgruppen sind auf verschiedene Weise davon betroffen. Womöglich wird der Berufszweig des Synchronsprechens im Film überflüssig. Welche Chancen und Risiken ergeben sich für Instrumentalist:innen?
von Olshausen: Chancen liegen beispielsweise in neuen Möglichkeiten der Ausbildung, in neuen Tools zum Lernen und Üben. Womöglich gibt es einen stärker werdenden Drang nach menschlicher und kultureller Begegnung durch Kunst und Kultur, je mehr sich KI in vielen Lebensbereichen durchsetzt. In der Popmusik ist die Gefahr viel größer, dass unseren Mitgliedern die Arbeit durch KI weggenommen wird und Urheberrechtsverletzungen in ganz großem Stil stattfinden. Wir müssen aber in jedem Fall wachsam bleiben und die drohenden Gefahren immer wieder neu evaluieren.
Hofmann: Weil das ein so schnelllebiger und unaufhaltsamer Prozess ist, kommen wir nicht umhin, ihn positiv zu umarmen. Wir haben aber viel Fortbildungsbedarf, um in den Konzertsälen und Opernhäusern die positiven Einsatzmöglichkeiten etwa auch bei neuen Formen der Publikumsansprache zu erkennen. Zentral ist, dass diejenigen, die aus dem Kulturbetrieb kommen, auch die Deutungshoheit haben und selbst darüber entscheiden, was Rahmen und Ziel des Einsatzes von KI sind, und nicht nur die Digitalkonzerne, die mit ihren KIs vorrangig wirtschaftliche Interessen verfolgen.
O&T: Wie kommt das Vorhaben voran, die deutsche Orchester- und Theaterlandschaft durch die UNESCO als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkennen zu lassen? Das wäre eine weltweit wahrgenommene Auszeichnung, die den Wert und die Schutzwürdigkeit eben dieser Kultureinrichtungen zertifiziert.
Hofmann: Es ist unser erklärtes Ziel, dieses anspruchsvolle Verfahren zusammen mit der VdO und anderen Verbänden weiter zu betreiben. Auf nationaler Ebene wurde die deutsche Orchester- und Theaterlandschaft ja schon als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Als Symbol wäre das auf internationaler Ebene fantastisch.
Zugleich muss man bei Symbolpolitik darauf achten, dass es nicht bei bloßer Symbolik bleibt. Das betrifft auch die Forderung, Kultur ins Grundgesetz zu schreiben. Denn was ergibt sich praktisch daraus? Das ist die viel wichtigere Frage. Wie wird das durch Handeln untermauert? Welche Auswirkungen hat das auf die Rechtsprechung und die Finanzierung?
O&T: Vielen Dank für dieses facettenreiche Gespräch. |