Berichte
Riesenspaß auf der Festwiese
„Die Meistersinger von Nürnberg“ bei den Bayreuther Festspielen 2025
Muss eine neue „Meistersinger“-Produktion zwingend politisch sein? Kann man nach Barry Koskys heilsamem Blick von 2017 auf die braune Wagner-Rezeption eine bunte und spaßige Neuinterpretation wagen, ohne sich dem Vorwurf der Oberflächlichkeit auszusetzen? Das funktioniert bravourös, wenn man, wie Matthias Davids, Wagners komische Oper tatsächlich als Komödie begreift und entsprechend umsetzt, ohne die ernsten Untertöne zu überhören und auf eine intelligente Brechung der deutschtümelnden Aspekte zu verzichten. Bestechend ist die detailverliebte Personenregie mit zauberhaften Einfällen in dem auf geometrische Grundformen rekurrierenden, sympathisch verspielten Bühnenbild von Andrew D. Edwards.

Zeppenfeld (Hans Sachs), Jongmin Park (Veit Pogner), Michael Spyres (Walther von Stolzing) und Michael Nagy
Choreograph Simon Eichenberger gestaltet die mitunter Wimmelbild-artigen Massenszenen mit witzigen Interaktionen. Aber das Lustigste ist die Prügelszene. Nicht nur mit Fäusten, Fußtritten und Bratpfannen gehen die plötzlich gar nicht mehr braven Bürger aufeinander los, es wird sogar in rasender Geschwindigkeit ein Boxring in die Mitte gestellt, in dem David dem schon angeschlagenen Beckmesser einen Hieb nach dem anderen verpasst. Das ist so rasant umgesetzt, dass das Publikum in spontane Lachanfälle ausbricht. Es gibt immer wieder slapstickartige Szenen, die aber nie ins Alberne abdriften.
Die Solisten legen zu ihren fast durchweg großartigen gesanglichen Leistungen eine wundervolle Spielfreude an den Tag (und die Nürnberger Nacht). Georg Zeppenfeld als Hans Sachs hat man schon verständlicher und lauter gehört, aber in den prominenten Passagen legt der herausragende Sänger deutlich zu. Der Walther von Stolzing von Michael Spyres ist ein echter Sympathieträger, gerade die Höhen meistert der „Baritenor“ bravourös und gibt der Figur eine virile Fülle, zumal im hochanspruchsvollen, zweimal gesungenen Preislied. Man versteht gut, dass er sich in Eva verliebt. Christina Nilsson gestaltet die Figur mit viel Charme und Witz. Ihr glockenheller Sopran wird der mädchenhaften Rolle mehr als gerecht. Der Beckmesser singt in dieser Produktion ausgesprochen wohlklingend. Michael Nagy formt einen psychisch leicht auffälligen Stadtschreiber und spielt brillant mit dem Libretto und den Koloratur-Karikaturen.
Wie ein liebenswürdiger Lausbub wirkt der David von Matthias Stier, der die Rolle auch mit wunderbarer Reife füllt. Christa Mayers Magdalene wirkt mütterlich und überzeugt vor allem in der Altlage. Jongmin Park ist zwar von der Stimmlage ein großer Veit Pogner, singt aber selten textverständlich. Die Riege der Meistersinger aus den altehrwürdigen Gilden bilden Martin Koch, Werner Van Mechelen, Jordan Shanahan, Daniel Jenz, Matthew Newlin, Gideon Poppe, Alexander Grassauer, Tijl Faveyts und Patrick Zielke ausgesprochen individuell. Zu den von Susanne Hubrich entworfenen originellen Kostümen passt ihr sehr eigenes Spiel. Zu den musikalischen Höhepunkten gehört das Quintett von Sachs, Eva, Walther, David und Magdalene mit ausgesprochen zauberhaft sensibel geformtem Klang des Orchesters unter Daniele Gatti. Da war die Erinnerung an Probleme des Dirigenten mit der Feinstruktur im Vorspiel längst verflogen; insgesamt hätte er sich aber etwas mehr Leichtigkeit erlauben dürfen.
Durch überbordende Farbenpracht und satirische Elemente ist die Festwiesenszene geprägt. Da tanzen, singen und springen Gruppen, Zwillingspaare und Einzelpersonen, und über allem spannt sich eine riesige bunte Kuh. Die lachende Kuh aus der Käsereklame ist die ikonische „La vache qui rit“, eine französische Parodie des Wortes „Valkyrie“ und damit ein eher charmanter Seitenhieb auf Deutschtümelei. Beckmesser lässt während des Loblieds von Hans Sachs auf die „heilige deutsche Kunst“ am Ende dem aufblasbaren Tier die Luft heraus, was auch die letzten chauvinistischen Gerüche humorvoll vertreibt. Das Festspielorchester und vor allem der phantastische Chor unter Thomas Eitler-de Lint schaffen ein klangpralles, glänzendes Finale.
Andreas Ströbl |